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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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habe er Vladimir versprochen, diskrete Erkundigungen einzuziehen und gegebenenfalls eine Liste geeigneter Objekte zusammenzustellen. Und nun sei der liebe Vladimir ganz spontan vorbeigekommen, um sich nach dem Stand der Recherche zu erkundigen. Genau, dachte ich, der war grad in der Gegend, Wladiwostok liegt ja quasi um die Ecke.
    Durch die Spontaneität seines Freundes und in Ermangelung eigener repräsentativer Geschäftsräume habe er sich allerdings gezwungen gesehen, kurzfristig meine Kanzlei zu requirieren. Einem seriösen Bisnessmän wie Vladimir könne man unmöglich zumuten, Besprechungen in der Datscha abzuhalten. Nun gut, vielleicht sei es ein Fehler gewesen, mich nicht zu fragen, aber er wisse nur zu gut, wie beschäftigt ich sei, und habe mich nicht mit derartigen Kinkerlitzchen belästigen wollen. Meine Antwort wäre ja ohnehin positiv ausgefallen, da es sich um eine Familienangelegenheit handelte.
    »Und das soll ich dir glauben?«, fragte ich.
    »Poletschka, das ist Wahrhait.«
    »Wie oft hast du meine Kanzlei schon zweckentfremdet?«
    »Das war ärrste Mal!«
    »Mein lieber Rostislav, ich kann dir versichern: Es war auf alle Fälle das letzte Mal. Schlüssel her!«
    »Na gutt.«
    »Eins würde mich noch interessieren: Was macht dieser Bisnessmän denn beruflich?«
    »Autos.«
    »Er verkauft Autos?«
    »Nain, repariert.«
    »Ach, und damit kann man so viel Geld verdienen?«
    »In Russland Straßen schlächt. Autos viel kaputt.«
    Im Kopf überschlug ich, was wohl eine Alarmanlage und eine durch einen Zahlencode gesicherte Stahltür kosten würden. Rostislavs »Geschäftsfreund« hinterließ jedoch bei mir den Eindruck, dass er für derartige Vorkehrungen nur ein müdes Lächeln übrighaben würde.
     
    Artjom wusste nichts vom Coup seines Vaters. Mit immer noch weichen Knien berichtete ich von dem Vorfall. Wiehernd schlug er sich auf die Schenkel und rief anerkennend:
    »Gibt’s ja nicht. So ein alter Fuchs! Das traut man ihm gar nicht zu.«
    »Dein Vater kann doch nicht einfach nachts in meine Kanzlei einbrechen.«
    »Paula, jetzt übertreib nicht wieder so. Das bleibt doch in der Familie.«
    »Familie, ha! Schöne Familie, in die ich da eingeheiratet habe.«
    »Was willst du damit sagen?«
    Ich schwieg. In meinem Kopf blitzten kurz diverse Schlagworte auf. Gefälschte Gutachten. Mietschulden. Illegale Glücksspiele. Zwielichtige Gestalten, die nachts in meiner Kanzlei ihre Geschäfte abwickelten.
    Was wohl als Nächstes kommt?, dachte ich.
    Artjom interpretierte mein Schweigen irrtümlich als Schwäche und schmiss sich noch einmal richtig in Positur. Er war entrüstet. Tödlich beleidigt. Schwer getroffen. Zutiefst verletzt.
    Diesmal nicht, Freundchen, dachte ich, diesmal nicht.
    Unbeirrt hob er an zu einem seiner berühmten Monologe. Ob ich wirklich so eine schlechte Meinung von ihm und seiner Familie hätte? Warum ich ihn dann überhaupt geheiratet habe?
    »Das frage ich mich auch manchmal. Gute Nacht, ich geh ins Bett.«

[home]
    19
    I ch schüttete Irina mein Herz aus und weihte sie in die Vorgänge der letzten Nacht ein. Meine Gehilfin war mir im Laufe unserer Zusammenarbeit ans Herz gewachsen, und ich schätzte ihre Meinung als Insiderin zu allen Themen, die die russische Mentalität und das für mich oft fremdartige Verhalten betrafen.
    »Ja, und?« Irina sah mich ratlos an.
    »Mensch, Rostislav kann doch nicht, ohne mich zu fragen, nachts heimlich in die Kanzlei kommen und sich mit irgendwelchen dubiosen Typen treffen.«
    »Wieso? Ist Schwiegervater. Wenn er braucht Büro, er nimmt Büro.«
    »Das ist immer noch eine Anwaltskanzlei! Wenn hier illegale Geschäfte laufen, kann ich meine Zulassung verlieren und den Laden dichtmachen.«
    »Ah, ist nicht illegal, ist Bisness.«
    Damit war für Irina der Vorfall erledigt. Offensichtlich war ich die Einzige, die in diesem Treffen etwas Verwerfliches sah. Vielleicht hatte ich einfach zu viele Mafiathriller gelesen.
    Okay, Matthes, dachte ich, dann mach dich mal locker. Bei Tageslicht betrachtet, erschien der liebe Vladimir aus Wladiwostok schon nicht mehr so gefährlich. Immerhin wusste er sich zu benehmen. Und für sein Aussehen konnte er nichts.
     
    Derart besänftigt empfing ich meine nächsten Klienten. Ich hatte in der vergangenen Nacht die Akte nur noch halbherzig studiert, trotzdem verlief das russisch-georgische Gipfeltreffen glimpflicher als erwartet. Zwischenzeitlich machte es zwar den Eindruck, als wollten die Kontrahenten sich die

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