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Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)

Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)

Titel: Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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aus. Dad fuhr los, ohne sich zu verabschieden. Und als der Wagen die Straße entlangschoss, reckte ich den Mittelfinger zum Himmel. Ich verfluchte Gott, und ich verfluchte Moses. Dann hielt ich die Hand schräg und verfluchte Dad. Ich hatte gegen das vierte Gebot verstoßen, und es fühlte sich gut an. Das Auto bog um die Ecke und verschwand, und ich lief in die Schule, um Sunya zu suchen.
    Mrs. Farmer sagte Weil Weihnachten näher rückt, wollen wir uns nun mit der Geburt von Jesus beschäftigen . Alle stöhnten, und mir wurde klar, dass diese Schule auch nicht anders war als meine alte. In London hatten wir jeden Dezember Jesus durchgenommen, und dann mussten wir das Krippenspiel für die Eltern aufführen, die es sicher langweilig fanden, sich jedes Jahr dasselbe Stück anzuschauen. Ich hatte schon ein Schaf gespielt und das Hinterteil eines Esels und den Stern von Bethlehem, aber noch nie einen Menschen. Mrs. Farmer sagte Es ist sehr wichtig, die wahre Bedeutung von Weihnachten zu verstehen , und ich sang leise ein Scherzlied über die Heiligen Drei Könige, aber Sunya lächelte nicht mal.
    Mrs. Farmer sagte Wir werden jetzt die Geburt des Herrn aus Jesus’ Sicht beschreiben . Ich denke, Jesus kann kaum was anderes gesehen haben als Marias Bauch von innen, viel Stroh und die Nasenhaare der Schäfer, die in seine Krippe schauten. Aber dann sagte Mrs. Farmer Das ist die wichtigste Klassenarbeit im ganzen Schuljahr. Ich möchte, dass ihr euch alle mächtig anstrengt, damit ihr gute Noten bekommt, die ich dann am Elternabend euren Mamas und Papas zeigen kann . Ich schrieb vier Seiten, bevor Mrs. Farmer sagte Legt eure Füller weg . Mum wird meinen Aufsatz bestimmt toll finden, vor allem die Stelle, an der Marias Bauch vom Licht des Engels Gabriel innen rot leuchtet. Den habe ich aber zu einer Frau gemacht, für den Fall, dass Dad am Elternabend meinen Aufsatz liest. Wenn er schon einen Jungen mit grünen Haaren für schwul hält, möchte ich lieber nicht wissen, was er über Männer mit Flügeln denkt.
    Ich riss eine Seite aus meinem Zeichenheft und schrieb Sunya eine Nachricht. Komm in der Pause in den Sportschuppen , und mit meinen tollen Stiften zeichnete ich noch ein Grinsegesicht mit Teufelshörnern dazu. Sie las die Nachricht, verzog aber keine Miene. Als wir rausdurften, rannte ich schnell zum Büro der Sekretärin, aber ich bedrohte Mrs. Williams nicht mit einer Waffe und verlangte auch nicht die ganzen Schokoriegel oder so. Ich kaufte nur ein Mars, mit meinem Geld von Oma, rannte nach draußen und lief zum Sportschuppen.
    Dort warf ich fünfzigmal einen Tennisball, bevor mir klar wurde, dass Sunya nicht kommen würde. Ich war sauer auf sie, weil sie schmollte, und riss vor Wut das Mars auf. Aber dann biss ich doch nicht rein. Mir lief zwar das Wasser im Mund zusammen, aber ich wickelte den Riegel wieder ein und steckte ihn in meine Socke, weil meine Hose keine Taschen hatte. In Mathe schrieb ich Sunya einen zweiten Zettel und bat sie, in der Mittagspause in den Sportschuppen zu kommen. Diesmal schrieb ich noch Bitte und PS Ich hab eine Überraschung für dich dazu.
    Im Schuppen setzte ich mich auf einen Fußball, um meine Sandwiches zu essen. Es war schwierig, die Balance zu halten, und ein Teil vom Brot fiel runter. Sobald ich irgendein Geräusch hörte, pochte mein Herz wie verrückt, mein rechtes Bein zuckte, und mein Mund wurde so trocken, dass ich keinen Bissen mehr runterbekam. Ich starrte auf den Lichtstreifen an der Tür und hoffte, dass er sich in ein großes Quadrat verwandeln würde. In dem dann Sunya stehen würde. Aber die Tür blieb zu.
    Ich nahm einen Tennisschläger und schmetterte einen Ball an die Wand. Wieder und wieder und jedes Mal schneller und härter. Schweiß lief mir über den Rücken, und ich keuchte, und dann tippte mich etwas auf die Schulter, und ich verfehlte den Ball, und er traf mich ins Gesicht. Tut es weh , fragte Sunya, aber ich spürte keinen Schmerz, weil ich so froh war, sie zu sehen.
    Ich nickte und zog ihren Ring von meinem Finger. Ich hielt ihr den Ring hin, und sie starrte ewig darauf, ohne was zu sagen. Zieh ihn doch an , sagte ich, und sie fragte War’s das , und ich sagte Was war was , und sie schüttelte den Kopf und ging weg. Sie war schon an der Tür, als ich Geh nicht weg schrie, und sie sagte Und warum nicht , und ich antwortete Die Überraschung . Ich rollte meine Socke runter und hielt ihr das Mars hin.
    Sunya schaute mich genauso an, wie ich Roger

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