Meine Schwiegermutter ist cooler als deine
wusste
– wohlgemerkt, auch auf Courts, die sie nicht einmal sehen konnte. Vor zwanzig Jahren gab es noch keine minütlich aktualisierten,
computergenerierten Ergebnislisten oder auch nur elektronische Anzeigentafeln, und auch laut zählende Schiedsrichter waren
nur in den Finals vorgesehen. Wie es stand, wussten nur die jeweils Beteiligten. Und Minnie. Wenn eine Mutter kurz auf einen
caffè
im Clubhaus war und nicht wusste, wie es ihrem Kind gerade erging, zeigten die anderen auf Minnie: »Geh zu Signora |38| Bernardi, die weiß es.« Aber wie konnte sie es wissen? Hat sie den Röntgenblick? Kann sie irgendwie überall zugleich sein?
Das Gleiche wiederholte sich im Sommer am Strand. Minnie lag regungslos in ihrem Liegestuhl unter dem Sonnenschirm. Dutzende
Teenager (drei ihrer Kinder und diverse Freunde der umliegenden Familien) tollten über den Strand, und wenn irgendein besorgtes
Elternteil wissen wollte, was ihr Balg gerade trieb, wusste es die scheinbar apathisch vor sich hin dösende Minnie. »Holt
sich einen Toast«, murmelte sie mit halbgeschlossenen Augen, »spielt Volleyball«, »sonnt sich auf der Mole«. Sie hatte sich
seit Stunden nicht aus ihrem Liegestuhl erhoben. Meine Güte, sie hatte sich nicht einmal vom Rücken auf den Bauch gedreht.
Wie kann man so was erklären? Auch heute noch, mit meinen Kindern, ist sie bestens im Bilde. Obwohl ja eigentlich ich das
sein müsste, aber ich kriege es einfach nicht hin, wenn Marco mich nach der Torquote von Luca Toni ausquetscht, Franco mich
das Verhältnis der deutschen Politiker zu Silvio Berlusconi analysieren lässt und Leo von mir wissen will, ob man nicht in
Italien Weißbierflaschen kaufen und zum Pfand im großen Stil nach Deutschland zurückbringen könnte und ob da nach Abzug der
Transport- und Benzinkosten noch was übrig bleiben würde. Da platzt mir der Kopf, aber ich weiß ja, dass Minnies drittes Auge
auf meinen Kleinen ruht. »Steht gerade schreiend vorm Eisstand«, murmelt sie dann, »baut eine Sandburg«, »zertrampelt eine
Sandburg«. Unerklärlich, aber sehr kommod.
Im Übrigen: Was gäbe es denn für einen untertauchenden Außerirdischen Besseres als das Leben einer italienischen |39| Schwiegermutter? Man steht im Mittelpunkt einer sehr liebenswerten und äußerst kommunikativen Sippschaft, hat aber auch genug
Autorität, die Bande nach Hause zu schicken, wenn sie zu sehr lärmt. Man macht viele Leute glücklich, die Söhne erledigen
lästige Botengänge (Bäcker, Apotheker, zwölf frische Wasserflaschen in den sechsten Stock, wenn der Aufzug kaputt ist), dauernd
hat man einen gefüllten Kühlschrank und seinen Rührlöffel in einem Riesentopf Pasta. Wäre ich vom Galaxiennebel IBFN XIU33-i
und hätte Probleme mit den Unterhaltszahlungen – ich könnte mir kein besseres Leben auf Erden vorstellen.
|40| Frühjahrsputz
Männer können durchaus reinlich sein. Wir stopfen bloß den Sauberkeitsfimmel, den viele Frauen das ganze Jahr über zelebrieren,
in einen einzigen Tag. Denn Mann sein heißt, auch die kleinste Sache mit allem erdenklichen Aufwand zu betreiben. Wenn ich
eines schönen Morgens im Frühjahr aufwache und mit roten Augen Laura anschaue, dann weiß sie schon Bescheid. Mich befällt
einmal im Jahr ein regelrechter Rappel, ein Furor, vor dem nichts und niemand sicher ist. Dann werde ich zum Gröwaz, zum Größten
Wegschmeißer aller Zeiten. Laura bringt unsere Töchter in Sicherheit und zieht zu Minnie, bis mein Anfall vorbei ist. Und
dann gehört das Haus mir. Zuerst setze ich mich an den Tisch, schreibe eine Liste und lege einen Zeitplan fest, den ich zu
unterbieten versuche. Das gibt mir einen zusätzlichen sportlichen Anreiz. Dann atme ich ein-, zweimal tief ein. Und dann geht
es los. Ich komme mir vor wie Hulk:Aus einem normalen Langweiler, der normalerweise am Schreibtisch auf einen Bildschirm starrt,
wird ein Berserker, der sich die Kleider vom Leibe reißt und schier Unmenschliches leistet. Während sonst seine einzige körperliche
Betätigung darin besteht, die Pupillen von links nach rechts und zurück und wieder |41| von links nach rechts und so weiter rücken zu lassen, rückt er nun den Küchenschrank von der Wand, trägt tonnenschwere Klamottenstapel
zur Altkleidersammlung und schafft es sogar, das Programm der Waschmaschine richtig einzustellen (allerdings vergisst Hulk
den Weichspüler).
Ich bin ein konvertierter Wegschmeißer, nachdem ich jahrelang
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