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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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Zeit zur Selbstgeißelung, sondern überfällt ihn mit der ganzen Schlagkraft seines Instrumentariums, wirbelt seine Emotionen ordentlich durch und schleudert ihn dann in hohem Bogen in eine mögliche Zukunft, damit er wieder neue Hoffnung schöpfen kann.
    Eine Illusion, klar. Aber was für eine schöne!
    Von der Brillanz meines Gedankengangs bin ich so beeindruckt, dass ich das Handy erst beim dritten Mal klingeln höre. Vor Anspannung springe ich auf.
    Ich weiß, sie ist dran.
    Sie ruft mich an.
    Ich weiß es.
    Ich hebe das Jackett vom Boden auf, finde aber das Telefon nicht.
    Es muss mir rausgefallen sein, als ich das Jackett auf (oder besser, in Richtung auf) den stummen Diener Foppapedretti geworfen habe.
    Ich gehe auf die Knie und suche den Boden ab.
    Als ich es schließlich, ungefähr beim zwölften Klingeln, entdecke, perfekt getarnt zwischen einem Fuß des Betts und einem der Kommode HEMNES , ist es zu spät.
    Das Herz klopft mir bis zum Hals, als ich die Nummer des entgangenen Anrufs auf dem Display identifiziere.
    Ich wusste es, wusste es, wusste es .
    Sofort rufe ich zurück und bete, dass es nicht so kommt, wie ich befürchte.
    Aber von wegen: sie hat ihr Handy schon ausgeschaltet.
    Ich halte meines fest und ziele damit mit hoch erhobenem Arm, den ich mir dabei fast auskugle, auf die Wand (ich werfe es aber nicht wirklich, sondern tue nur so: das wäre ja noch schöner, wenn ich mein Handy entzweischlagen würde, nur um mich im Einklang mit dem Drehbuch zu fühlen).
    Ein zweiter Versuch, bei ihr anzurufen, geht aus wie der erste.
    Kein Wunder, wenn ihr Telefon gerade eben schon ausgeschaltet war.
    Müsste ich eigentlich von selber draufkommen, stimmt’s?
    Aber weit gefehlt, ich drücke sogar noch ein drittes Mal auf die Wahlwiederholungstaste (und beehre die blöde Kuh damit mit drei Belegen für meine psycho-affektive Abhängigkeit in Folge), und zum dritten Mal belehrt mich die Frauenstimme vom Band in entschiedenem Ton (aus dem ich sogar eine gewisse Gereiztheit herauszuhören meine) über die momentane Nicht-Erreichbarkeit der gewählten Rufnummer.
    Und weil ich schon mal dabei bin, höre ich mir die Durchsage auch noch auf Englisch an.
    Als ich auf den tiefsten Grund meiner Ohnmacht hinabgetaucht bin und das Schlafzimmer auf eine Weise düster wird, dass sich darin schon der Stich ins Gelblich-Graue ankündigt, den meine Rückkehr nach Hause fortan haben wird, fange ich an, in der Wohnung auf- und abzugehen. So überzeuge ich mich davon, dass man richtig böswillig sein muss, wenn man jemand nur deshalb anruft, um sich ein ebenso ordinäres wie hundsgemeines Alibi zu basteln, in letzter Konsequenz die dem anderen in Aussicht gestellte Kommunikation aber doch verweigert.
    Die Botschaft, sage ich mir laut, ist klar: ›Ich hab probiert, dich anzurufen. Du warst nicht da oder wolltest nicht rangehen (selbstverständlich Letzteres). Deshalb habe ich bis zur nächsten Kontaktaufnahme, gesetzt, es gibt eine nächste Kontaktaufnahme, das gute Recht, zu tun und zu lassen, wozu ich lustig bin.‹
    Ich wünschte mir, der mir zugewiesene Schnüffler von Schutzengel wäre jetzt zur Stelle.
    Damit ich mir wenigstens von ihm anhören könnte, dass man so was nicht tut. Dass Alessandra Persiano, wenn sie denn wirklich mit mir hätte reden wollen, nochmal angerufen hätte.
    Dass sie vor allem nicht gleich nach dem ersten Versuch, mich zu erreichen, das Telefon abgeschaltet hätte.
    Und dass sie deshalb, jawohl, tatsächlich eine blöde Kuh ist.
    Diese Art von Zuspruch könnte ich deshalb so gut gebrauchen, weil von der eigenen Partnerin Schlechtes zu denken ein wenig ist, als würde man sich selbst verurteilen. Das schaffst du einfach nicht alleine.
    Aber der Schnüffler ist nie da, wenn man ihn braucht; deshalb beschließe ich, die guten Vorsätze von Zurückhaltung und Diskretion aufzugeben und tue das, was ich mir bislang fest vorgenommen hatte, nicht zu tun: ich rufe Espe an und erzähle ihm alles.
    Anders als erwartet, reagiert dieser auf meine Zutraulichkeit mit bewundernswerter Feinfühligkeit: Zunächst schließt er kategorisch aus, dass es sich um eine endgültige Trennung handeln könnte, und zur Bestätigung dieser Meinung nennt er mir ein paar Beispiele aus seinem Erfahrungsschatz, die mit meiner Situation herzlich wenig zu tun haben und die ich auch auf der Stelle wieder vergesse (typisch Freund, dass er dir, wenn du ihn um Rat fragst, irgendwelche abwegigen Beispiele aufzählt); dann zögert er ein

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