Meine Schwiegermutter trinkt - Roman
Nein zu antworten und ihm auf diese Weise zu signalisieren, dass ich eventuell auch verstanden haben könnte, um wen es ging.
Großer Gott , sagte ich mir genervt , ich kann’s wirklich nicht mehr hören . Hört das denn niemals auf, dass man mich Dinge fragt, die ich garantiert nicht weiß ? Von denen aber der Rest der Welt ausgeht, dass ich sie einfach wissen müsste , wenn ich meinen Job gut mache?
Wie heißt nochmal der Gerichtspräsident, und
innerhalb welcher Frist muss man Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt, Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid oder Berufung gegen ein Urteil einlegen?
Was ist der Unterschied zwischen einer Verordnung und einem Gesetz? Und
wie viel Trennungszeit muss verstrichen sein, ehe man geschieden wird?
Was wird durch den Schiedsspruch Alfano geregelt (›Und wo wir schon dabei sind: was ist überhaupt ein Schiedsspruch?‹)
und schließlich, zu guter Letzt auch noch: ›Wie, dieser Name sagt Ihnen nichts?‹ Echt, Leute, ich könnte noch ewig so weitermachen. Eines schönen Tages wird es noch soweit kommen, dass ich antworte: ›Keine Ahnung, wie der Gerichtspräsident heißt, ich habe noch nie im Leben Berufung beim Oberlandesgericht eingelegt, ich weiß nicht mal, wo es ist, dieses Oberlandesgericht: nichts weiß ich!!‹ – also wahrheitsgemäß. Damit wäre die Angelegenheit dann ein für alle Mal erledigt.
Bei halb unbekannten Rechtsassessoren – im Volksmund ›Volljuristen‹ genannt (der Einfachheit halber bleibe ich auch bei diesem verbreiteten Jargon: Volljurist. Kurz: HUVJ ) – bei uns HUVJ s also zählt die Last der Fragen mit zu den aufwändigsten sozialen Kosten.
Wo ich schon einmal dabei bin, möchte ich kurz auf diese Geschichte einer ganz gewöhnlichen und von allen totgeschwiegenen Diskriminierung eingehen: Die HUVJ – das soll endlich einmal publik gemacht werden – werden beinahe täglich belästigt. Und zwar von Hinz und Kunz. Als Potenzielle Nutzer der Juristischen Serviceleistung ( PNJS ) pochen die (unberechtigterweise) auf ständige Updates, damit sie uns HUVJ s dann unseren angeblichen Misserfolg vorwerfen können.
Das ist ein selektives Mobbing gegen die befristet Angestellten im Allgemeinen und uns HUVJ s, die wir der psychologischen Kraftmeierei der PNJS schutzlos ausgeliefert sind, im Besonderen.
So, und jetzt nehmt die alten Hasen unter den Anwälten (die nicht mal sonderlich renommiert sind, sondern einfach nur lange im Geschäft) – nehmt also die alten Hasen mal näher ins Visier; diese Typen, die immer in Eile sind, die stöhnend von einem Sitzungssaal in den nächsten hasten und markige Sprüche wechseln, wenn sie sich auf dem Flur begegnen. Was glaubt ihr? Pinkeln denen die Mandanten ans Bein oder piesacken sie mit Fachfragen?
Das Pikante ist doch, dass die alten Anwaltshasen vielleicht nicht mal halb so gut Bescheid wissen, wie man ihnen unterstellt (es reicht eben nicht, einfach nur älter zu werden – deshalb kann man seinen Job keinen Deut besser). Mag sein, dass diese Typen routiniert sind, weil sie seit Ewigkeiten dieselben vier Sachen machen (weshalb sie sich nicht mal dann mit einem Gesetzestext auseinandersetzen, wenn er ihnen von einem aufgebrachten Kollegen ins Gesicht geschleudert wird). Außer Praxiserfahrung haben diese alten Hasen aber nichts zu bieten – und es interessiert sie nicht im Entferntesten, was in der Welt des Rechts vor sich geht. (Übrigens beißt du dir an diesem Anwaltstyp die Zähne aus, wenn du ihn um einen schnellen Rat bittest – selbst in seinem Fachgebiet: Ohne Vorschusshonorar und Termin läuft da gar nichts. Und sie tun gut daran. Weil sie ihren Mandanten gleich zeigen, wer die Hosen anhat. Und weil dann keiner auf die Idee kommt, sie mit blöden Fragen nach Verordnungen, Rechtsverordnungen oder Massimiliano Sesti Orfeo zu nerven.)
Von daher das Paradox, dass der halb Unbekannte besser Bescheid wissen muss als der Anerkannte.
Das ist natürlich der helle Wahnsinn. Und doch ist es so.
›Hör mal gut zu‹, hätte ich dem Ingenieur Romolo Sesti Orfeo am liebsten gesagt, ›lass mich mal ein paar Dinge klarstellen:
1.) hab ich keinen blassen Schimmer, wer diese getürkte Ausgabe von Keanu Reeves ist, noch, wer verdammt nochmal auf den Namen Emiliano (oder Aureliano, ich hab’s ehrlich gesagt schon wieder vergessen) – wer also auf den Namen Blabla Sesti Orfeo hört (vermutlich irgendein Verwandter von dir);
und
2.) hör endlich auf, hier herumzuorakeln. Hast du eine offene Rechnung
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