Meine Schwiegermutter trinkt - Roman
Wunsch geweckt, die Dinge ab jetzt nur noch in aller Ruhe zu erledigen).
Um ihm klarzumachen, wer hier das Sagen hatte, kniete der Ingenieur sich vor Matrix nieder, zielte ihm mit der Pistole direkt ins Gesicht und wartete darauf, dass dieser irgendwie – am besten panisch – reagieren würde.
Geblendet vom eigenen Blut und gedemütigt durch seine Niederlage, öffnete Matrix mühsam die Augen.
»Schade«, kommentierte Ingenieur Romolo Sesti Orfeo nur und briet ihm eins mit dem Pistolenkolben über.
Matrix gab keinen Laut von sich, als er aus dem Stand auf den Boden schlug. Seine Füße zuckten kläglich nach (wie im Film bei den frisch umgelegten Opfern, wenn der Killer vor dem Weggehen den letzten rhetorischen Schuss auf sie abgibt); mit einem Seufzer ließ er dann seine Schuhsohlen über die Fußbodenfliesen gleiten und beschmierte sich mit verschüttetem Joghurt.
Das war ziemlich wüst.
Um die Lippen von Ingenieur Romolo Sesti Orfeo herum machte sich ein Lächeln breit, das Genugtuung und Ekel zugleich verriet.
Zu diesem Zeitpunkt dachte ich, dass es nun höchste Zeit wäre zu gehen.
Ingenieur Romolo Sesti Orfeo wandte sich an Matteo den Wurstwarenverkäufer, der ihn jetzt befremdet und bestürzt ansah:
»Mattè, du musst mir einen Gefallen tun. Geh mal dort hinter in die Haushaltswarenabteilung und hol mir eine Rolle Paketband, von dem braunen; das wickelst du dem Kerl hier dann um die Fesseln.«
Matteo der Wurstwarenverkäufer schüttelte jedoch entschieden den Kopf (schwer zu sagen, ob eher empört oder angewidert).
»Tu besser, was ich dir sage«, setzte der Ingenieur schärfer nach. »Weil, wenn du nicht machst, was ich dir sage und du nicht in zehn Sekunden wieder da bist, dann erschieße ich ihn. Und du bist schuld.«
Ich traute meinen Ohren nicht. Und spürte, wie sich ein vages Verantwortungsgefühl in mir regte: Ich wurde hier gebraucht. Und ich konnte auf gar keinen Fall einfach die Biege machen. Womöglich war ich sogar der Einzige, der das Schlimmste würde verhindern können. Ausgerechnet ich.
»Geh los, Mattè«, riet ich ihm, aber in einem Ton, der mehr nach ›Hör, was ich dir sage‹ klang als nach ›Du hast die Wahl‹.
Der Wurstverkäufer zögerte, gab sich dann aber einen Ruck.
Als er sah, dass Matteo seinen Anweisungen Folge leistete, griff Ingenieur Romolo Sesti Orfeo wieder nach der Fernbedienung und richtete sie ein weiteres Mal auf die Monitore. Dann sprach er in das Ding in seiner Hand, und seine Stimme, perfekt synchronisiert mit den Live-Bildern, verbreitete sich über die Lautsprecher:
»Danke für die Zusammenarbeit, Herr Anwalt Malinconico.«
Meinen Namen so öffentlich hinaustrompetet zu hören, haute mich um.
Ich sah zum anderen Ende des Gangs. Dort war niemand mehr zu sehen.
»Ich bitte Sie jedoch zu bleiben –, jetzt, da der Prozess losgeht.«
»Prozess?« , fragte ich.
Matrix reckte angesichts des beunruhigenden Wortes den Hals in die Höhe (›Prozess‹ musste für ihn ähnlich gruselig klingen wie ›Fiskus‹ für die Selbstständigen).
»Wissen Sie eigentlich, wer dieser Herr ist?«, fragte mich Ingenieur Romolo Sesti Orfeo beiläufig.
Unvermittelt fixierte ich Matrix (als ob ich ihn nicht schon genug gesehen hätte) und schüttelte den Kopf. Der war doch nie und nimmer so berühmt, als dass ich ihn hätte kennen müssen!
»Nein, weiß ich nicht.«
»Seltsam«, antwortete der Ingenieur und klang beinahe ein wenig enttäuscht. »Dann werde ich Ihnen jetzt mal einen Namen nennen«, fuhr er fort, gönnte sich aber noch eine Pause, bevor er seinen neuen Trumpf ausspielte. »Massimiliano Sesti Orfeo. Von Berufs wegen dürften Sie den Namen schon mal gehört haben.«
Ich starrte auf den Fußboden, stotterte leise den Namen vor mich hin, der mir absolut nichts sagte, und spürte, wie die Peinlichkeit der nicht gegebenen Antwort meine Glieder lähmte.
Da er mich als Allround-Strafrechtler ansah, nahm Ingenieur Romolo Sesti Orfeo offenbar an, dass man mir nur ein aussagekräftiges Indiz zu präsentieren brauchte und ich dann automatisch die ganze Geschichte rekonstruieren könnte. Wie desillusionierend musste es sein, dass mir dieser Name, abgesehen von der halben Übereinstimmung mit dem seinen, schlechterdings nichts sagte.
Natürlich konnte ich mir an diesem Punkt nicht die Blöße geben und antworten: ›Nein, tut mir leid, der Name sagt mir rein gar nichts‹. Also beschränkte ich mich darauf, den Ingenieur anzuschauen, weder mit Ja noch mit
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