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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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Instanzen durchlaufen, bis dahin hat die Straftat jede Dramatik verloren. In der Zwischenzeit übernimmt das Fernsehen – berichtet, polarisiert, bildet eine Öffentlichkeit, teilt sie ein in Befürworter und Gegner, bringt denen das Juristenkauderwelsch bei, sorgt dafür, dass bestimmte Gesetze erlassen werden und andere nicht.«
    Er sprudelt wie ein Wasserhahn. Diese Überlegungen müssen schon lange in ihm gereift sein, sonst würde er sie wohl kaum dermaßen überzeugt rüberbringen. (Im Übrigen braucht man für jede militärische Aktion eine gewisse rhetorische Ausrüstung.)
    ›Mach nur weiter‹, denke ich. ›Früher oder später werde ich dir antworten.‹
    »Was sollen denn die Leute mit einem Prozess, der sich mit allen möglichen Spitzfindigkeiten von einer Terminverlegung zur nächsten über Jahre hinzieht, bis er schließlich, wenn überhaupt, mit einem zahnlosen Urteil endet, das weder die Schuldigen bestraft noch die Opfer entschädigt? Das Fernsehen ist tausendmal effizienter. Es bringt Denkweisen hervor, macht Tendenz.«
    An dieser Stelle liegt mir was auf der Zunge.
    Das merkt er vielleicht, denn Romolo Sesti Orfeo lässt nicht locker.
    »Ja, ja, ich weiß – Sie wollen mir sagen, ich hätte meine Sache nicht gut gemacht. Ich hätte eine ordinäre Show abgezogen und mich mit dem Kriminellen, über den ich urteile, auf eine Stufe gestellt. Meinetwegen gebe ich das sogar zu, wenn es Sie befriedigt. Aber fragen Sie morgen früh mal einen beliebigen Passanten, ob er weiß, wer mein Sohn war.«
    Er hält inne, um sich zu sammeln, während ich die einzelnen Stücke seiner Rede zusammensetze. Mich überzeugt sie zwar nicht, sie ist aber hieb- und stichfest.
    »Der Prozess gegen die mutmaßlichen Mörder von Massimiliano, ja, der war eine Schmierenkomödie. Zwei kokainabhängige Killer, die geschlagene zwei Jahre nur logen und sich gegenseitig die Verantwortung zuschoben, ohne je einen Namen zu nennen oder auch nur einen einzigen nützlichen Hinweis zu geben. Hätten Sie nur sehen können, mit welcher Arroganz die sich in die Verhandlung setzten und auf die Fragen der Richter antworteten, was für unverschämte Erklärungen sie absonderten. Sie hätten wirklich dabei sein sollen – wenigstens ab und zu –, dann hätten Sie schon mitbekommen, mit welcher Chuzpe die Zeugen ihre Aussagen von jetzt auf gleich widerriefen. Wie gemauert wurde, sobald der Name von dem da fiel. Wie ohnmächtig die Richter waren, weil sie vor jemandem standen, der den Mund nicht aufmachen wollte.«
    Ein solidarisches Schweigen senkt sich herab.
    Sogar die Hyänen halten still.
    Ich weiß nicht, ob es mir gelingt, es zu verbergen, aber ich bin echt beeindruckt.
    »Ich ertrage diesen Sumpf nicht mehr, Herr Anwalt. Dieses Verschweigen von Wahrheiten, die für alle offen zu Tage liegen. Heute ergreife ich das Wort, und keiner soll mir mehr mit Vorschriften kommen. Ich will auch einen Prozess. Einen genauso schludrig zusammengeschusterten, einen kurzen Prozess – hier zwischen Schinken und Mozzarella. Schauen Sie, ich bin schon mittendrin. Keiner braucht mir mehr Ratschläge zu erteilen, was ich kaufen soll. Ich will, dass ein Publikum – ein echtes Publikum, das bunt gemischte, breite Fernsehpublikum – von meinem Sohn erfährt, dass es sich an seine Geschichte erinnert, dass es an seine Unschuld glaubt. Das genügt mir schon. Ich will den Zweifelsfall gelten lassen, aber der Zweifel muss echt sein! Wenigstens eine gewisse Quote von Leuten soll daran glauben. Ich dulde diese schuldhafte Unentschiedenheit, zu der er faktisch schon verurteilt worden ist, nicht mehr länger. Und schauen Sie, ich will auch keine Gerechtigkeit herstellen – so hohe Ansprüche habe ich gar nicht. Ich will einfach nur, dass man erfährt, was das Recht ist.«
    Hier hält Ingenieur Romolo Sesti Orfeo inne, als wolle er die Stille nach dem Schlusspunkt auskosten (die Pointe, wer weiß, ob er die improvisiert oder schriftlich vorbereitet hat, macht uns, das muss man ihm lassen, nochmal einen Zacken sprachloser), aber just in dem Moment – während ich mir größte Mühe gebe, irgendein auch nur halbwegs schlagkräftiges Argument gegen seine perfekt begründete Institutionenfeindlichkeit zu finden –, gerade da erreicht uns ein unangenehm vertrauter Geruch, so dass unser aller Blick an Matrix hinabgleitet.
    Ich spreche von ›hinabgleiten‹, weil sich die Pisspfütze genau unter den Füßen des Gefangenen ausbreitet.
    Mit unserem inzwischen schon

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