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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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dann auch noch mit einer beleidigend persönlichen Note garniert).
    Ich lege eine Hand gegen meine Stirn, während mein kleines Mädchen weiterschimpft:
    »Was wissen Sie schon, wie man sich fühlt, wenn man seinen Vater in einer so absurden Situation stecken sieht«, kreischt meine Tochter. »Haben Sie eine Vorstellung davon, wie es ist, vor einem widerlichen Fernseher zu kleben und nicht zu wissen, was ihm vielleicht noch passieren wird? Wenn man denkt, am Ende verliert dieser unglückliche Kerl noch den Kopf und schießt wild um sich? Und wenn man die Vorstellung aushalten muss, dass sich im selben Moment Hunderttausende, vielleicht Millionen Blödmänner dieses Spektakel live reinziehen und vielleicht nur darauf warten, dass noch ein Toter dabei rausspringt. Lieber Gott, ihr Ärzte seid doch alle gleich! Nicht davon abzubringen, dass sich durch eure Worte jede Tragödie klären lässt, und uns Gemeinsterbliche behandelt ihr wie arme Irre, die sich wegen nichts und wieder nichts das Leben schwer machen. Aber so ist es nicht, merken Sie sich das!«
    Ihr solltet die fassungslosen Mienen der Umstehenden nach dieser Strafpredigt sehen!
    Mit Flecken im Gesicht heischt der Doktor flehentlich nach einer Solidaritätsbekundung aus unserer Runde, aber niemand geht darauf ein.
    Von einem unbezwingbaren physiognomischen Impuls getrieben, mustert mich Scully, als würde sie in meinen Zügen nach Spuren eines möglichen hysterischen Erbes forschen, das ich diesem kleinen Schatz da möglicherweise mitgegeben haben könnte.
    Diabolik ist ein Meisterwerk. Der absolut Geschockteste von allen. Die Maske bringt seine Schockiertheit kurioserweise noch deutlicher zum Vorschein. Wenn Andrea Pazienza hier wäre, würde er ihn im Stil einer Puppe zeichnen: ein Würstchen mit stilisierten Armen und Beinen, darauf eine schwarze Kugel mit zwei Äuglein als Kopf, und knapp darüber schwebend ein großes Fragezeichen.
    Was Alf betrifft, so fehlt nicht viel und er prustet gleich los.
    Ich schaue ihn scharf an und verpacke die Drohung, ihm eine zu scheuern, wenn er sich nicht am Riemen reißt, in den Blick.
    »Ähämm … und eure Mutter?«, frage ich.
    Die Antwort gibt Alagia, die sich schlagartig wieder beruhigt hat. (Wenn es um die Mama geht, findet sie gleich wieder zu ihrer diplomatischen Berufung zurück, diese Amazone.)
    »Sie war hier, bis wir erfahren haben, dass dir nichts passiert war«, deklamiert sie und versucht vergeblich, den Anflug von Scham, den man ihr anmerkt, mit Zuckerwasser zu übertünchen: »Sie umarmt dich und lässt sich entschuldigen, sie hat es nicht fertiggebracht hierzubleiben, dafür war sie emotional zu mitgenommen.«
    Die rhetorische Emphase, mit der Alagia diese pathetische Rechtfertigung wiedergibt, ist schlechterdings unerträglich. (Immerhin weiß ich nur zu gut, wie gerne Nives sich aus dem Staub macht, um sich, speziell in heiklen Situationen, wichtig zu machen. Noch besser aber weiß ich, wie gern sie den Reiz zurückgewinnen würde, den sie in meinen Augen verloren hat, seitdem ich ihr eine andere Frau vorgezogen habe.)
    Ich hätte ihr ihre Abwesenheit auch ohne Weiteres nachgesehen, denn ihre exhibitionistischen Manöver machen sie mir im Grunde ja nicht unsympathisch. Was ich aber wirklich nicht abkann, ist die Vasallentreue, mit der unsere Tochter für sie Partei ergreift und ihr wie ein abgerichteter Papagei jeden noch so unsäglichen Quark nachplappert.
    Wie zum Trost streichle ich mir mit der linken Hand sanft über die Wange, auch um die Aufwallung des regelmäßig wiederkehrenden Zorns wegzuwischen, den ich umso ärgerlicher finde, als er sich exakt so anfühlt wie beim letzten Anfall: Ich fühle mich verarscht durch seine Unversehrtheit, seinen hartnäckigen Widerstand gegen all meine Versuche, ihn zu vertreiben.
    Allerdings geht der Linderungsversuch meiner kleinen autoerotischen Geste nahezu umgehend schief, weil ich einfach nicht an mich halten kann.
    »Ja, natürlich«, antworte ich abschätzig, »wenn sie vorbeigekommen wäre, um mir Hallo zu sagen, wäre sie am Ende noch in ihren eigenen Tränen ertrunken, schon klar«, und hier lege ich eine kleine Pause ein, ehe ich zum eigentlichen Punkt komme. »Aber wie bringst du es eigentlich fertig, ihr bei diesen erbärmlichen Auftritten auch noch zu assistieren?«, frage ich meine Tochter und lege all meine Enttäuschung in meinen Blick, mit dem ich sie ansehe. »Schämst du dich denn gar nicht, immer nur ihr williges Sprachrohr zu sein? Bist du

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