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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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aushalte, und zweitens weil mir die Perspektive, mich heimlich und von den Journalisten unbemerkt aus dem Staub zu machen, sogar ein leicht prickelndes Gefühl verursacht.
    Sie sagen mir, sobald die Ambulanz fertig sei, würden sie mir Bescheid geben.
    Und während ich so warte, klingelt mein Telefon. Was für eine Freude, als ich den Namen des Anrufers erkenne.
    »Schwiegermama! Gerade habe ich mich gefragt, wann du dir wohl die Mühe machen würdest.«
    Zur Begrüßung lässt sie einen ihrer kleinen Stoßseufzer los und antwortet:
    »Wusste ich’s doch, dass du früher oder später mal groß rauskommen würdest.«
    Ich schüttle den Kopf und grinse. »Wie ich deine Komplimente liebe, Ass!«
    »Ehrlich, du hast mir gefallen.«
    »Fängst du jetzt auch noch damit an? Habt ihr denn nicht mitgekriegt, dass der arme Kerl auf sich geschossen hat? Herrgott nochmal, gerade liegt er unterm Messer und die Ärzte versuchen, ihm die Kugel wieder aus dem Schädel rauszuholen – man weiß noch nicht mal, ob er davonkommen wird – und seit ich wieder aus diesem verfluchten Supermarkt raus bin, sagen mir alle nur noch, was ich für ein toller Typ sei. Und das, obwohl ich ihn noch nicht mal daran hindern konnte.«
    »Pass auf, dass du keinen Unsinn redest, Vince’. Du warst in einer Situation wie im Irrenhaus und du hast getan, was du konntest. Stopp. Dich trifft keine Schuld.«
    Ich wähle einen vertraulich-dramatischen Ton: »Mein Jackett ist blutverschmiert, Ass. Blut vom Ingenieur, verstehst du?«
    »Soll ich es dir reinigen?«
    »Spar dir die Witze.«
    »Was willst du eigentlich, Vince’? Dich schuldig fühlen am Selbstmordversuch eines verzweifelten Mannes?«
    Ich seufze tief. »Ich weiß, das ist schwer zu verstehen, aber so ist es.«
    »Hey, du solltest dich erst mal wieder beruhigen, meinst du nicht? Du warst nicht verpflichtet, du kannst dich nicht schul… Moment, warte mal kurz.«
    »Was?«
    »Gott, ich fasse es nicht!«
    »Wovon sprichst du?«
    »Du bist mir vielleicht eine Lusche, Vincenzo«, faucht Assunta mich unvermittelt an. Und das mit einer Schärfe, die mir schon wieder den Schweiß auf die Stirn treibt.
    »Wie bitte?«
    »Ach, geh doch dahin, wo der Pfeffer wächst.«
    »He, was ist denn jetzt los, bist du verrückt geworden? Hast du vielleicht wieder angefangen zu trinken?«
    »Nee, aber ich komme dir auf die Schliche. Du spielst die Rolle des verhinderten Helden. Den das Schuldgefühl übermannt, weil er das Unglück nicht verhindert hat. Das ist ja wohl absolut ekelhaft.«
    Ich werde rot wie eine Tomate und komme immer mehr ins Schwitzen.
    »Aber was sagst du …«, keuche ich.
    Sie lässt mir keine Zeit zur Verteidigung (gesetzt, ich würde eine hinkriegen), sondern überfährt mich. Walzt mich platt. Macht mich alle.
    »Für wen hältst du dich eigentlich? Für James Bond im Dienste Ihrer Majestät? Mit Depri, weil angeblich deine Mission gescheitert ist? Ach, hör mir doch auf damit! Und noch was, wo ich schon mal bei der billigen Nummer bin, die du mir da hast andrehen wollen: das pathetische Detail mit dem Blut auf dem Jackett, das war wirklich erbärmlich. Schäm dich!«
    »Hast du noch alle Tassen im Schrank?«, versuche ich einen Gegenangriff (im Brustton der Empörung). »Wie kommst du denn auf so was?«
    Es funktioniert leider nicht.
    »Wie ich auf so was komme, willst du wissen?«
    Schlagartig wird mir klar, wie Nives sich gefühlt haben muss, als sie damals als kleines Mädchen so abgebürstet wurde, dass sie später zur Psychologin wurde.
    Ich trockne mir mit dem Hemdsärmel die Stirn, beschmoddere mir dabei die Manschette und fächle mir mit der linken Hand Luft zu.
    Ich gebe mich geschlagen.
    »Okay, vielleicht habe ich das etwas ausgewalzt, aber ich schwöre dir, es ging mir nicht …«
    »Jetzt hör mal gut zu«, unterbricht mich Ass, »wenn du beim erstbesten Journalistenarsch, der dich befragt, diese miserable Nummer auch nur andeutest, spucke ich dir im hohen Bogen ins Gesicht.«
    Ich fahre mir mit der Zunge über die Lippen.
    »Entspann dich mal, ja? Ich habe nicht die Absicht, überhaupt mit irgendwelchen Schmierenreportern zu reden. Ich bin nur ein bisschen durcheinander, okay? Augenblicklich weiß ich nicht mal so ganz genau, was ich sage.«
    »Unsinn! Du weißt ganz genau, was du sagst. Und du bist kein bisschen durcheinander, Vince’! Du verblödest nur so langsam, das ist alles. Einmal Berühmtheit gewittert, und schon suhlst du dich darin.«
    »He, he, Schwiegermama.

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