Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
Vom Netzwerk:
ich Zusammenfassungen noch nie gut leiden konnte.
    Ich will mich nicht mit ihm anlegen (auch weil er mir gar nicht unsympathisch ist), aber ein paar Sachen muss ich ihm doch sagen.
    »Haben Sie die ›Debatte‹ wirklich so surreal gefunden, Herr Doktor?«, frage ich ihn. »Mir kam es in dem Moment nämlich vor, als würden wir über sehr konkrete Dinge reden: über einen Untergetauchten, der regelmäßig und unerkannt in einen Supermarkt kommt, um seinen Lieblingsjoghurt zu kaufen. Über einen erschossenen jungen Mann, auf dem ein ehrenrühriger Verdacht lastet; über einen Vater, der verzweifelt ist und so verbittert, dass er das Fernsehbeispiel des zum hemmungslosen Tratsch verkommenen Strafprozesses wörtlich versteht.«
    Während ich spreche (und noch einige Momente danach), nickt er heftig. (Wobei unklar bleibt, ob er sich damit darauf vorbereitet, meinen Argumenten zu widersprechen, oder ob er sie sich nur einprägen will.)
    »Surreal ist die Vorstellung, diese Probleme mit einer publikumswirksamen und gewaltsamen Aktion lösen zu wollen«, wendet er mit wohlgesetzten Worten ein. »Dem Ingenieur gilt mein ganzes menschliches Verständnis, aber seine Handlungsweise werde ich niemals gutheißen können. Ich sage das noch mehr als Bürger denn als Staatsanwalt. Prozesse müssen wir führen, nicht das Fernsehen. Und Sie, Herr Anwalt, haben ein leidenschaftliches Plädoyer zur Verteidigung des Rechts abgegeben und dabei klargestellt, dass über eine Straftat kompetent geurteilt werden muss. Stück um Stück haben Sie den ganzen inquisitorischen Apparat, den der Ingenieur zur Rechtfertigung seines Vorgehens aufgebaut hat, dialektisch demontiert. Sie sind wie ein echter Strafrechtler vorgegangen. Wie ich übrigens schon lange keinen mehr am Werk gesehen habe.«
    »Oh, na ja«, kommentiere ich achselzuckend. (Ich sagte ja schon: Der Typ ist keineswegs unsympathisch.)
    »Seltsam ist nur …«, besinnt sich der Herr Staatsanwalt da plötzlich und kneift die Augen zusammen, als ob ich ihn von einem Moment auf den anderen ungeheuer neugierig gemacht hätte.
    »Was?«
    »Seltsam, dass wir beide uns noch nie begegnet sind.«
    ›Ähm‹, denke ich, ›so seltsam nun auch wieder nicht.‹
    »Stimmt«, bestätige ich laut.
    »Waren Sie denn schon immer in diesem Gerichtsbezirk tätig?«, insistiert er und macht die Sache noch schlimmer.
    Mir tritt Schweiß auf die Stirn.
    »Ja, schon.«
    »Wirklich seltsam«, beharrt Garavaglia. Und starrt mich weiter an.
    ›Verdammte Kacke aber auch‹, fluche ich, ›was muss ich denn noch alles anstellen, damit mich die berufliche Anonymität nicht auf immer und ewig verfolgt? Den Beruf wechseln?‹
    Es gibt nur eine mögliche Schlussfolgerung: Ich bin einfach ein erfolgloser Anwalt. Daran gibt es nichts zu beschönigen.
    »Strafrecht mache ich kaum«, sage ich (in der Hoffnung, dass er mich gnädig in Ruhe lässt).
    »Ich kenne auch etliche Zivilrechtler«, präzisiert er, sieht mich erwartungsvoll an und bestätigt so seinen auf mich gemünzten ontologischen Zweifel.
    Herrgottnochmal !
    »Sagen wir, ich bin keiner von denen, die sich gerne lange im Gericht aufhalten.«
    Das muss ihm gefallen haben, dieses Argument, denn endlich, dem Himmel sei’s gedankt, sehe ich ihn zufrieden.
    »So ist’s recht.«
    Hä? Was hat der Typ da gerade gesagt? Ich muss mich wohl verhört haben! Was sollte das denn jetzt? Hat der sich gerade lustig über mich gemacht?
    Na ja, soll er ruhig seinen Spaß haben – Hauptsache, wir kommen zum Schluss.
    Garavaglia lächelt, reicht mir die Hand.
    Ich drücke sie gern und voller Wärme.
    »Es war mir wirklich ein Vergnügen, Herr Anwalt.«
    »O, ganz meinerseits.« ( Und was für eines ! )
    »Darf ich Sie noch bitten, baldmöglichst in meinem Büro vorbeizuschauen? Gerne schon morgen, wenn das für Sie möglich ist. Keine große Sache – nur, um ein paar Erklärungen zu Protokoll zu geben.«
    »Wenn Sie meinen.«
    »Gut. Dann erwarte ich Sie also im Laufe des morgigen Tages.«
    Und endlich beschließen wir die Sitzung.
    Jetzt würde ich liebend gern auf der Stelle nach Hause gehen, aber die Carabinieri informieren mich darüber, dass es draußen einen neuen Auflauf von Journalisten gibt. Die beste Methode, einen weiteren Ansturm zu vermeiden, sei es, sich in eine vorbeikommende Ambulanz auf Erste-Hilfe-Einsatz zu flüchten.
    Ich antworte, dass ich den Vorschlag liebend gerne annehme, erstens weil ich so ein Blitzlichtgewitter mit Fragen physisch nicht nochmal

Weitere Kostenlose Bücher