Meine Seele gehoert dir - Angelfire ; Bd. 1
kennen? Bestimmt waren wir uns in einem meiner früheren Leben über den Weg gelaufen. Sein Gesicht … Er war mir so vertraut.
»Nein, meine Liebe«, sagte er mit leiser Stimme, die ich trotz des hereinrauschenden Wassers, das meine Knöchel umspülte, deutlich hören konnte.
»Du bist also einfach mit deinen Kumpanen vorbeigekommen, um uns alle zu töten?« Meine Finger schlossen sich fester um den Schwertgriff.
»Ich bin wegen des Sarkophags hier, das ist alles. Wenn ich dich jetzt töte, dann war das alles hier umsonst.«
»Wo ist Cadan?«, frage ich. »Hat er beschlossen, die Sache auszusitzen?«
Etwas Böses trat in Bastians Lächeln. »Er und ich teilen nicht ganz dieselbe Gesinnung.«
Ich studierte sein Gesicht und versuchte eine Andeutung von Gefühlen darin zu entdecken, aber seine Miene gab nichts preis. »Dann fang schon an zu kämpfen!«
Seine Gestalt verschwamm. Im nächsten Augenblick stand er direkt vor mir. Seine Stimme senkte sich zu einem boshaften Flüstern. »Ich weiß, was du bist.«
»Was?«, fragte ich, ohne nachzudenken.
Bastian wich ein Stück von mir ab und spreizte seine weißgefiederten Schwingen. »Allein deine Gegenwart verstößt gegen alle Regeln.«
Mein ganzer Körper verkrampfte sich, bis ich das Gefühl hatte, es würde mich zerreißen. »Was meinst du damit?«, zischte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
»Du versteckst dich zwischen den Menschen, die du liebst, und spielst mit ihrem Leben.«
Mein Zorn flammte auf. »Ich spiele nicht mit ihrem Leben! «
Sein Lächeln wurde noch eine Spur böser. »Sei nicht wütend. Selbstsucht ist nur eine Begleiterscheinung des Zusammenlebens mit den Sterblichen. Ein sehr menschlicher Charakterzug, findest du nicht?«
»Von den Menschen habe ich Mitgefühl gelernt«, sagte ich. »Das Gute in mir existiert nur, weil man mir beigebracht hat, zu lieben und gut zu sein. Was kannst du über dich sagen? Dass du Wesen, die schwächer sind als du, gequält und getötet hast?«
Sein Lächeln verschwand. »Für jemanden, der so uralt ist, bist du ganz schön naiv. Glaubst du, du wärst besser als ich? Du weißt noch weniger über mich als über dich selbst. In Wahrheit bist du kaum anders als ich, kleines Mädchen.«
Damit war er verschwunden. Ich starrte auf die leere Stelle, an der er gerade noch gestanden hatte. Log er? Wusste er tatsächlich, was ich war? Furcht stieg in mir auf, und ich starrte auf das eiskalte Meerwasser, das mir mittlerweile fast bis zu den Knien reichte. Ich schüttelte den Kopf, versuchte meine Nerven zu beruhigen und watete zur Treppe. Oben angekommen passierte ich die Kajüte und entdeckte Nathaniel, der gerade dabei war, den Sarkophag über die Reling zu befördern. Mein Herz tat vor Freude einen Sprung – sank jedoch gleich wieder in den Keller, als ich sah, wie Ivana hinterhersprang.
Ein Schatten rauschte über meinen Kopf hinweg, und ich wappnete mich für den nächsten Angriff. Doch dann landete Will plötzlich neben mir. Aus seinem Rücken erhob sich ein elfenbeinfarbenes Flügelpaar! Schockiert wich ich zurück. Die Federn schimmerten im Mondlicht wie Perlmutt. Sie waren wunderschön. Er sah aus wie ein Engel, und seine elektrisierenden grünen Augen fixierten mich. Er legte die Flügel über seinem Rücken zusammen und breitete sie erneut aus, bevor er sie wieder zitternd anlegte. Ich konnte mich weder bewegen, noch bekam ich Luft. Ich konnte nichts weiter tun, als ihn anstarren, wie er zusammenbrach und sich die Hand auf die Brust presste. Als ich den dunklen Fleck sah, der sich auf seinem T-Shirt ausbreitete, wusste ich, dass er schwer verletzt war.
»Will!«, rief ich und eilte entsetzt an seine Seite. Er krümmte sich, und seine Flügel breiteten sich über uns aus und hüllten uns in Schatten. Als ich meine Hand nach ihm ausstreckte, wich er mir aus. In seinem Gesicht spiegelte sich mehr als nur sein körperlicher Schmerz. Am liebsten hätte ich ihm eine gelangt, weil er mir die Existenz seiner Flügel verheimlicht hatte, aber sobald ich sie erblickte, war mir, als hätte ich sie gestern erst gesehen.
Er wandte das Gesicht von mir ab und zitterte. »Guck nicht …«
»Lass mich sehen«, sagte ich.
Seine Flügel bebten. »Ich will nicht …«
Ich griff nach seiner Hand und zog sie von der Wunde. »Lass. Mich. Sehen.«
Er schloss gequält die Augen und ließ mich gewähren. Es war schlimmer, als ich gedacht hatte. Blut quoll aus der Wunde in seiner Brust. Panisch schob ich sein T-Shirt hoch.
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