Meine Seele gehoert dir - Angelfire ; Bd. 1
sollten Sie jetzt besser gehen.«
Will nickte. »In Ordnung. Ich verabschiede mich nur noch, dann geh ich.« Er fixierte Mr Abbot mit versteinerter Miene und rührte sich nicht vom Fleck. Seltsamerweise machte mein Konrektor nur ein eigentümliches Gesicht, bevor er sich umdrehte und von dannen zog. »Wirst du nach der Schule mit mir sprechen, Ellie?«, fragte Will.
»Auf keinen Fall«, sagte ich und drehte ihm den Rücken zu.
Er trat um mich herum, sodass wir uns wieder gegenüberstanden. »Wenn du dich weigerst, weißt du nicht, wie du deine Schwerter herbeirufen kannst, und dann kannst du dich nicht verteidigen.«
Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, als er mir in die Augen starrte. Der warnende Unterton seiner Stimme war nicht zu überhören. »War das eine Drohung?«, fragte ich vorsichtig.
Sein Gesichtsausdruck verriet nichts. »Sie kommen dich holen.«
Eine eisige Woge aus Angst durchfuhr mich. Mein Pulsschlag beschleunigte sich. Ich presste die Lippen zusammen und spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss.
»Jetzt, wo ich deine Kräfte gerade erst erweckt habe, bist du leichte Beute für die Reaper. Du befindest dich in deiner verwundbarsten Phase, und das ist der Moment, in dem sie angreifen.«
Ich holte tief Luft. »Wenn du mich jetzt nicht sofort in Ruhe lässt, rufe ich den Sicherheitsdienst, und dann holen sie die Polizei.«
Frustriert knirschte er mit den Zähnen. »Manchmal dauert es ein bisschen, bis deine Erinnerung zurückkehrt, aber so schlimm ist es noch nie gewesen. Ich weiß, dass du schon eine Weile die Albträume hast. Du hattest sie immer, wenn du bereit warst, dich dem zu stellen, was du bist. Natürlich, seit ich dich – ich meine dein wahres Ich – zum letzten Mal gesehen habe, sind mehr als vierzig Jahre vergangen. Du warst achtundzwanzig Jahre lang weg.«
Meine Kehle war wie zugeschnürt.
Er schenkte mir dieses umwerfende Lächeln, das diesmal jedoch etwas Geheimnisvolles zu bergen schien. »Alles Gute zum Geburtstag, übrigens. Tut mir leid, dass ich dir letzte Nacht nicht schon gratuliert habe, aber ich hab ein Geschenk für dich. Du bist umgekippt, bevor ich es dir geben konnte.«
Will zog etwas aus der Tasche und streckte mir seine Hand entgegen. Auf seiner Handfläche lag ein Schmuckanhänger, der wie ein weißes Flügelpaar geformt war und an einer Goldkette hing. Es war ein wunderschönes Schmuckstück, die Flügel so leuchtend weiß, dass sie schimmerten und im Licht zu strahlen schienen. Als ich blinzelte, war das Strahlen verschwunden.
»Was ist das?«, fragte ich und bewunderte den geflügelten Anhänger.
»Es hat schon immer dir gehört«, sagte er und legte mir die Kette in die Handfläche. »Schon lange bevor ich dich kannte. Es wird nie matt oder blass, sondern bleibt immer gleich. Immer beständig, selbst wenn das Schicksal so viel nimmt.« Sanft schloss er meine Finger um das Schmuckstück, wobei seine Hand ein wenig länger verweilte als nötig. »Wir sehen uns. Bis bald.«
Damit drehte Will sich um und ging davon. Ich öffnete meine Hand, um die wunderschöne Halskette anzustarren. Bewundernd strich ich über die Flügel und fragte mich, woraus sie gemacht waren. Die glatte und schimmernde Oberfläche des Anhängers ließ mich zuerst an Perlmutt denken, doch bei näherer Betrachtung kam ich zu dem Schluss, dass es sich um etwas Edleres handeln musste. Seine Schönheit lullte mich ein, und ich glitt in einen seltsamen, wehmütigen Zustand; flüsternde Erinnerungen, die nicht zu mir gehören konnten, kamen mir in den Sinn. Verschwommene Bilder von Wills Gesicht, von Reapern, die in der Dunkelheit lauerten, von mir auf der Flucht durch Straßen und Wälder, von der Halskette in meiner Hand. Dinge, an die ich mich nicht erinnern dürfte und die dennoch in meiner Vorstellung auftauchten.
Ich schüttelte den Kopf und schob die Kette in meine Tasche.
Mehr als vierzig Jahre? Erschöpft lehnte ich mich gegen die Schließfächer und rieb mir das Gesicht mit beiden Händen. Warum konnte Will mich nicht einfach in Ruhe lassen? In seinen Augen war ich offenbar eine Art Superheldin, und das war so ziemlich das Verrückteste, was ich je gehört hatte. Und als ob das noch nicht reichte, sprach er von einem weiteren Treffen. Obwohl ich ihn kaum kannte, war mir vollkommen klar, dass dies ein Versprechen war.
Ich ging zurück zu meinen Freunden in die Cafeteria und versuchte, ihn zu vergessen, aber das gelang mir nicht. Die nächste Stunde verlief ohne
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