Meine Seele gehoert dir - Angelfire ; Bd. 1
Notendurchschnitt zu verbessern, saßen wir nur herum und besprachen die Schleifarbeiten der folgenden Woche. Der arme Mr Gray mochte offensichtlich keine rührselige Rede über Mr Meyer halten. Es wusste sowieso jeder Idiot, wie beliebt Mr Meyer gewesen war. Vor der Mittagspause traf ich mich mit meinen Freunden. Wir gaben uns Mühe, uns so normal wie möglich zu verhalten.
Kate, Landon und ich saßen an unserem Stammplatz in der rechten Ecke bei den Fenstern, die zum Hof hinausgingen. Evan, Rachel und Chris gesellten sich zu uns, und ich war positiv überrascht, dass alle es vermieden, den Mord an Mr Meyer anzusprechen. Als ich aufgegessen hatte, ging ich kurz zur Toilette.
Als ich vor dem Waschbecken stand, um mir die Hände zu waschen, ließ mich etwas innehalten und ein zweites Mal in den Spiegel schauen. Der Anblick meiner rechten Gesichtshälfte ließ mich vor Schreck erstarren. Schwarze Dinger – spinnenhafte, fadenartige Linien – krochen aus meiner Kopfhaut, die Wange hinab und um mein rechtes Auge und verflochten sich miteinander. Meine Furcht wandelte sich in Abscheu, als ich mir die Wange rieb, um das Schwarze zu entfernen. Es kamen immer mehr Linien, die länger und länger wurden, bis sie mehr und mehr von meinem Gesicht bedeckten. Ich rieb und rieb, konnte sie aber nicht auf meiner Haut fühlen. Waren sie in meiner Haut?
Halb weinend, halb außer mir vor Angst schnappte ich mir eine Handvoll Papierhandtücher und hielt sie unter den laufenden Wasserhahn. Verzweifelt rieb ich mein Gesicht mit den nassen Papiertüchern, aber als ich in den Spiegel schaute, waren die Linien noch da, und meine Augen waren starr und rund wie weiße Murmeln. Ich ließ die Tücher fallen und wich vom Spiegel zurück, bis ich mit dem Rücken gegen eine Toilettentür stieß. Ich presste mir die Hände vors Gesicht und raufte mir vor Verzweiflung die Haare.
Als ich wieder aufblickte, sah ich nichts als Tränenspuren auf meinen Wangen. Keine schwarzen Dinger. Nichts Dunkles. Sie waren verschwunden. Meine Augen sahen wieder normal aus.
Ich klatschte mir Wasser ins Gesicht, um die roten Striemen zu kühlen. Zur Beruhigung meiner armen Nerven atmete ich ein paar Mal langsam ein und aus, bis ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte, um zurück in die Cafeteria zu gehen. Entschlossen, alles zu vergessen, was ich gerade durchgemacht hatte, stürmte ich aus der Toilette und hinaus in den Flur, wo ich um ein Haar mit Will zusammengestoßen wäre.
»Oh, mein Gott!«, rief ich und hätte ihn am liebsten geohrfeigt. »Wie kannst du mich nur so erschrecken! Was machst du hier? Ich denke, du gehst nicht auf unsere Schule.« Nervös schob ich den Schulterriemen meiner Tasche zurecht und holte tief Luft. Erst jetzt bemerkte ich die schwarzen, gewundenen Tätowierungen, mit denen sein ganzer muskulöser Arm bedeckt war – genau dieselben, die er in meinem Traum gehabt hatte. Ich starrte die sonderbaren Symbole an, und das verschlungene schwarze Muster erinnerte mich an die schwarzen Linien, die sich wenige Minuten zuvor auf meinem Gesicht ausgebreitet hatten. Aber diese waren anders. Stolz und kühn schienen sie über seine Haut zu tanzen. Ich konnte meinen Blick nicht davon wenden.
Er ignorierte meine Frage. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
Hatte er mich weinen hören? Woher wusste er von meinem Kummer? Entschlossen hörte ich auf, die Tätowierungen anzustarren, und verscheuchte meine Gedanken. »Mir geht es gut«, versicherte ich ihm mit ernster Miene.
»Wir müssen reden. Über gestern Nacht.« Er lächelte nicht und sah kein bisschen fröhlich aus. Sein fragender Blick fiel auf meine immer noch rote Wange. Verlegen hielt ich die Hand davor.
»Worüber? Ich muss zurück zum Mittagessen.« Ich wollte ihn stehen lassen, aber er baute sich vor mir auf und versperrte mir den Weg. Nach dem, was ich gerade in der Toilette erlebt hatte, war mir die Lust auf weitere Verrücktheiten vergangen.
»Wir müssen über gestern Nacht reden.«
Mein Magen zog sich zusammen, und die Furcht, von der ich kurz zuvor erfasst worden war, ließ meinen Körper erneut erbeben. »Ich weiß nicht, was du meinst. Ich war letzte Nacht zu Hause. Es gibt nichts, was wir …«
»Erinnerst du dich nicht?« Er stand dicht vor mir, seine grünen Augen hielten meinen Blick gefangen. Er war mir so nah, dass ich außer ihm nichts fühlen, sehen oder riechen konnte. Meine Sinne waren vollkommen von ihm erfüllt.
»Woran soll ich mich erinnern?« Es war nur
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