Meine Seele gehoert dir - Angelfire ; Bd. 1
sagen.«
»Wieso?«, fragte ich ungeduldig. »Nach allem, was ich bis jetzt erfahren hab, was soll mich da groß schockieren?«
»In der Nacht, in der du gestorben bist«, sagte er langsam. »Da war ich nicht da.«
»Ich weiß.«
»Du weißt es?«
»Am Tag vor meinem Geburtstag hatte ich einen Albtraum oder eine Erinnerung an meinen eigenen Tod«, erklärte ich. »Ich erinnerte mich daran, wie ich nach dir gesucht habe. In jener Nacht hatte ich schreckliche Angst vor Ragnuk. Ich hatte Angst, weil ich nicht wusste, wo du warst.«
Mit schmerzerfülltem Blick wandte er sich ab. »Es tut mir so leid, dass ich nicht rechtzeitig bei dir war.«
»Warum? Warum hast du mich alleingelassen?«
»Bastian.«
»Bastian? Was hat er damit zu tun?«
Will sah mich an. In seinen Augen spiegelte sich unsagbare Qual. »Ragnuk hatte den Befehl, Jagd auf dich zu machen, und Bastians andere Schergen hatten mich aufgespürt. Sie hielten mich gefangen und folterten mich. Ich konnte ihnen nicht entkommen. Als … als Ragnuk zurückkehrte, wusste ich, dass alles vorbei war. Er legte dich vor meine Füße, und du … warst nicht mehr. Kurz danach konnte ich fliehen, denn ich wusste, dass ich weiterleben musste. Ich musste ja da sein, wenn du zurückkamst. Du bist allein gestorben, aber ich wollte dich nicht allein zurückkehren lassen.«
»Es war nicht dein Fehler, Will.«
»Doch«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Du stirbst immer und immer wieder, und ich versuche dich zu retten, aber ich schaffe es einfach nicht. Es ist nie genug.«
»Will«, sagte ich wieder, und mein Herz wurde von einer solchen Traurigkeit erfüllt, dass ich es kaum ertragen konnte. Sanft streichelte ich seine Wange. Er berührte meine Finger, schmiegte sich an meine Handfläche und schloss die Augen. Es war das erste wahre Gefühl, das er mir zeigte, es war, als erlaubte er mir zum ersten Mal einen Blick in seine Seele. Ich fragte mich, welche Gefühle er hinter seiner stoischen, kampfgestählten Fassade verbergen mochte. Wir verharrten so lange in dieser Umarmung, dass ich jegliches Zeitgefühl verlor. Irgendwann löste er sich jedoch widerstrebend von mir und stand auf, worauf mich ein Gefühl von Leere und Sehnsucht überkam.
»Ich muss gehen«, sagte er und mied meinen Blick. »Sie kommt zurück.«
Ich entgegnete nichts, sondern sah wortlos zu, wie er sich praktisch in Luft auflöste.
Im nächsten Augenblick trat Kate durch die Tür und rubbelte sich die Haare trocken. »Mit wem hast du geredet?«, fragte sie und musterte mich argwöhnisch.
»Mit niemandem«, sagte ich hastig und sprang auf, während mein Herz plötzlich anfing zu rasen, als müsste es ein paar ausgebliebene Schläge nachholen. Wie erschlagen ließ ich mich wieder aufs Bett fallen. Will war so schnell verschwunden, dass ich ganz frustriert war; so viel war unausgesprochen geblieben, aber ich würde meine Gedanken und Zweifel für mich behalten müssen. Ich hatte das Gefühl, dass es noch viel gab, was er mir gern gesagt hätte.
»Ich könnte schwören, dass du telefoniert hast oder so«, sagte Kate und lächelte. »War es Will?«
Ich wurde rot. »Nein, ich hab bloß die Fernsehsendung kommentiert. Ich hasse diese Reality-Shows.«
»Stimmt«, sagte sie und verdrehte die Augen. Da Kate größer war als ich, reichten ihr meine Schlafanzughosen nur bis zur Wade. »Wir tun einfach so, als wär das modern.« Sie zeigte lachend nach unten, als würde es irgendjemanden kümmern, wie sie mitten in der Nacht angezogen war.
»Ich erzähl’s auch keinem«, sagte ich und lachte. Ich wollte gern mit Kate herumalbern und Spaß haben, aber ich musste immer wieder daran denken, was Will mir noch hatte sagen wollen. Außerdem hatte ich Angst vor dem Ende der Welt, von dem Ragnuk gesprochen hatte.
»Ist alles in Ordnung mit dir, Ellie?«, fragte Kate besorgt.
»Entschuldige. Mir wird im Moment einfach alles zu viel.«
Stirnrunzelnd hockte sich Kate auf den Teppich und stützte sich auf der Bettkante ab. »Das mit deinem Dad tut mir wirklich sehr leid.«
»Ja, mir auch.« Ich versuchte tapfer zu lächeln, doch es gelang mir nicht.
»Er hätte nicht so mit dir reden dürfen.«
Ihre mitfühlenden Worte trieben mir die Tränen in die Augen. Ich wünschte, mein Dad hätte verstehen können, dass mein Sturz ein Unfall war, den ich nicht vermeiden konnte. Zugegeben, ich hatte ein bisschen was getrunken, und vielleicht war das in meinem Alter nicht ganz legal, aber ich war nicht gefahren, und
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