Meine Seele gehoert dir - Angelfire ; Bd. 1
Normalität. Etwa jede zweite Nacht kreuzte ein weiterer Reaper meinen Weg. Mein Kampf gegen sie wurde flüssiger und präziser. Die Techniken, die ich in meinen früheren Leben im Schlaf beherrscht hatte, kehrten nach und nach zurück. Es war noch nicht wie Radfahren, aber ich wurde immer besser.
Ich war froh, dass sich Will von seinen Beschützerpflichten ausruhen konnte, wenn ich in der Schule war. Normalerweise kamen Reaper nicht am helllichten Tage, und so konnte Will sich in Nathaniels Wohnung aufhalten, wo er duschte, aß und tun konnte, was er wollte. Wenn ich wider Erwarten während des Unterrichts angegriffen würde, wäre er sofort an meiner Seite. Er brauchte ein bisschen Zeit für sich, und ich brauchte einen normalen Tagesablauf. Ein paar Stunden außerhalb der Reaper-Welt halfen mir, nicht den Verstand zu verlieren. Vielleicht ging es Will genauso.
Doch je tiefer ich in diese Welt hineingezogen wurde, desto weiter entfernte ich mich von meiner alten Welt, von meinen Freunden und meiner Familie. Die Polizei hatte einen Mann festgenommen, der des Mordes an Mr Meyer verdächtigt wurde. Ich wusste zwar, dass der Mann dieses Verbrechen nicht begangen hatte, doch waren bei Detroit zwei weitere brutale Morde geschehen, die allem Anschein nach auf sein Konto gingen. Ich versuchte mir einzureden, dass Mr Meyers gewaltsamer Tod vielleicht doch noch für irgendetwas gut sein könnte. Trotzdem fühlte ich mich nicht viel besser, weil ja Mr Meyer sowie alle anderen Opfer des Reapers für immer in der Hölle brennen würden.
Als ich meinen Literaturaufsatz zurückbekam, konnte ich nicht glauben, wie schlecht ich abgeschnitten hatte. Ich schaffte es einfach nicht, meine Aufgaben für die Schule und meine Pflichten als Preliatin unter einen Hut zu bekommen. Mein Lehrer, Mr Levine, bat mich nach der Schule zu sich, um über meinen Aufsatz zu sprechen. Ich fürchtete das Gespräch, aber es war besser, als wenn ich ganz durchgefallen wäre. Mit viel Glück würde er mich den Aufsatz noch einmal schreiben lassen. Dummerweise hatte ich nicht oft so ein Glück.
Nach Schulschluss ging ich in Mr Levines Klassenraum. Wie ich erwartet hatte, durfte ich den Aufsatz nicht noch einmal schreiben, aber er sprach die einzelnen Punkte mit mir durch, und ich erfuhr, worauf ich beim nächsten Mal achten musste. Ich würde es nicht mehr schaffen, mir irgendwelche zusätzlichen Punkte zu verdienen, aber Mr. Levine war bemüht, mir beim Erreichen der Mindestpunktzahl zu helfen.
Meine Freunde schienen das Ende meines Hausarrests noch mehr herbeizusehnen als ich selbst. Als ich an meinem ersten freien Freitag beim Schulmittagessen saß, träumte ich vor mich hin und versuchte wieder einmal, mich an mehr zu erinnern. Aber jedes Mal, wenn ich es versuchte, sah ich Ragnuks schreckliche Schnauze vor mir, wie er um sich biss und nach mir schnappte. Wenn das passierte, verscheuchte ich die Erinnerung, dachte an Wills sanftes Gesicht und konzentrierte mich auf ihn, so gut ich konnte. Ragnuk machte mir Angst, und ich schämte mich nicht, das zuzugeben. Er war so groß wie ein Kleinlaster und wollte mich fressen. Da war eine gewisse Portion Angst nur vernünftig.
» Ellie Marie …«, ertönte eine Singsang-Stimme neben mir.
»Hm«, murmelte ich und stocherte in meinem Mittagessen herum. Es gab Truthahn und Soße, mein Lieblingsschulessen, aber mir ging zu viel durch den Kopf, um es zu genießen.
»Was ist diese Woche nur mit dir los?«, fragte Kate leise.
Landon saß uns gegenüber und diskutierte mit Chris und Evan über eins ihrer Lieblingscomputerspiele, über das ein Film gedreht werden sollte. Keiner von ihnen achtete auf uns.
»Tut mir leid«, sagte ich. »Ich war in Gedanken.«
»Wegen deinem Dad?«, fragte sie ernst.
»Es geht ausnahmsweise mal nicht nur um ihn. Da sind noch Schulprobleme, College, dumme Jungs … Mir geht zur Zeit einfach zu viel im Kopf rum.«
Sie sah mich besorgt an. »Du siehst immer so müde aus.«
»Bin ich auch. Ich weiß auch nicht. Hab wohl einfach eine schlechte Phase.«
»Kopf hoch! Heute ist unser Kinoabend, und du bist schon seit Ewigkeiten nicht dabei gewesen.«
Ich starrte auf meinen Teller. »Ich glaub, ich hab heute keine Lust auf Kino.«
»Vergiss es«, sagte Kate. »Du hast keine Wahl. Ich will endlich mal wieder mit dir rausgehen. Ich hab schon Entzugserscheinungen. Also kommst du mit!«
Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Du hast Recht, tut mir leid.«
»Bring Will mit.«
Diesmal war
Weitere Kostenlose Bücher