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Meine Seele weiß von dir

Meine Seele weiß von dir

Titel: Meine Seele weiß von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ludwigs
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körperlichen Genuss lediglich mit unseren Händen und Lippen verschafft hatten. Das Letzte hatte ich ihm verwehrt. Er war nie in mir gewesen. Ich meine, in mir, das war der Ort, an dem Krümel gewesen war ... nein. Nein, das ging einfach nicht.
    Ich machte mir nicht die Mühe, die Mansarde in Ordnung zu bringen. Frau Hischer kam einmal im Monat hier herauf, um die Betten frisch zu beziehen, Staub zu wischen und zu saugen. All das hatte sie erst kürzlich erledigt. Ich würde es also später selbst wieder in Ordnung bringen, um eventuellen Fragen vorzubeugen. Lediglich das Fenster öffnete ich, um den Raum gründlich zu lüften. Dann ging ich in Gedanken versunken hinüber ins Haus.
    Rick erschien mir wie ein wohltuender Trank des Vergessens. Und ich war eine Verdurstende. Ich konnte nichts tun, um auf diese n Trank und das Vergessen zu verzichten. Im Gegenteil. In tiefster Seele war ich eine gierige Egoistin. Ein Schwein. Jedem anderen Menschen gegenüber. Selbst meinem Mann. Es gab Dinge, die konnte ich nun einmal nicht ändern. Und zu diesem Zeitpunkt wollte ich es auch nicht.
     
    Am selben Nachmittag erwartete mich eine Überraschung.
    Es klopfte an der Tür meines Ateliers. Sie wurde aufgestoßen, noch ehe ich etwas sagen konnte, und Leander stand im Rahmen.
    Ihn zu sehen war ein Schock, denn an seine Ankündigung, dass er an diesem Dienstag nach Hause kommen würde, hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht!
    Er hatte über zwei Wochen gebraucht, um mir gegenüberzutreten. Sein Gesicht war gerötet, und seine Augen funkelten mich über den Raum hinweg an. In der Hand hielt er ein Blatt Papier.
    Als ich erkannte, was es war, fühlte ich mich weich und kraftlos wie eine Strohpuppe. - Es war Ricks Zeichnung von mir.
    Ich hatte das Fenster in der Mansarde vergessen und es offenstehen lassen. Leander, der nach Hause gekommen war und seinen Wagen in die Garage gefahren hatte, musste es bemerkt haben und hinaufgegangen sein, um es zu schließen.
    Dabei fand er das Bild. In dem zerwühlten Bett, das so beredt war wie ein aufgeschlagenes Buch.
    An seiner Hand, die mir das Blatt anklagend entgegenstreckte, traten die Fingerknochen weiß hervor, so fest hielt er es umklammert.
    Mein Herz hatte sich zu einem festen Klumpen aus Ablehnung verdichtet. Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass ich den Atem anhielt, bis ich wieder ausatmete und die Luft heiß aus mir herausströmte. In meinen Ohren rauschte das Blut. Gehässig loderten ihm meine Blicke entgegen.
    Leander schüttelte langsam den Kopf. „Mein Gott“, sagte seine von Gefühlen überwältigte Stimme. „Ich könnte dich umbringen.“
    Er öffnete seine Faust. Die Zeichnung segelte langsam zu Boden, wo sie, mit der Sichtseite nach oben, liegen blieb.
    Leander wandte sich ab und ließ mich zurück.
     
    *
     
    Ich verstumme.
    Der Spätnachmittag ist zu einem warmen Abend gereift. Dunkelheit zieht auf. Irgendwo erklingt Musik, eine unglaublich schöne, wenn auch schwermütige Klaviermelodie, die ich nicht kenne. Die ersten Sterne gehen auf.
    Wenn ich Leander betrachte, weiß ich, wie er als Toter aussehen wird. Und wie ich selbst mich am Tag seines Todes fühlen würde.
    „Du siehst aus wie eine Tote“, sagt er, als hätte er meine Gedanken gelesen. Unsere Empfindungen sind noch immer dieselben. Unheimlich ist das, richtig unheimlich. Ich bleibe ihm eine Antwort schuldig.
    Er steht auf, geht ins Haus und kommt mit Kerzen zurück. Er zündet die bleichen Wachsstäbe an. Ich muss an Grablichter denken.
    Das sonst kaum hörbare Zischen der Flammen klingt laut in der Abendstille.
    Leander sitzt einfach nur da, keinen halben Meter von mir entfernt. Verloren starrt er in das Kerzenlicht. Bis auf die Flammen bewegt sich nichts. Kein Wort fällt. In dem weichen Feuerschein sieht er um Jahre jünger aus und schließlich ähneln die Konturen seines Gesichts denen eines hilflosen Jungen.
    Hätte unser Sohn, wenn Krümel ein Junge war, einmal so ausgesehen?
    Ich bin unsicher, völlig gefangen in meiner Verzweiflung, weil Leander mich nicht beachtet. Obwohl ich hier bin , ganz nah bei ihm .
    „Was willst du, das ich tun soll?“, frage ich, als ich es nicht mehr aushalte. Er hebt den Blick, die Augen reglos, doch flackernd durch das Kerzenlicht.
    „Was willst du?“, frage ich noch einmal.
    „Ich weiß es nicht. Keine Ahnung, wie es weitergehen soll, wie viel ich noch ertragen kann ... Es ist viel schwerer, sich das alles aus deinem Mund anzuhören, als ich je angenommen

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