Meine Tiere, mein Leben
Halblitergläsern, und einige von ihnen spielten Domino. Sie waren alle Landarbeiter und gehörten zu den Leuten, denen ich begegnete, wenn ich vor Sonnenaufgang aus dem Bett geklingelt wurde; dann waren sie gekrümmte Gestalten in alten Überhängen, die mit dem Kopf gegen Wind und Regen auf die Höfe radelten und sich resigniert in ihr hartes Schicksal fanden. Mir passierte es ja nur gelegentlich, aber sie waren jeden Morgen in der Dunkelheit unterwegs.
Und sie taten es für dreißig Shilling die Woche; ich schämte mich ein bisschen, wenn ich sie hier wieder sah.
Mr. Waters, der Wirt, dessen Name zu allerlei Späßen Anlass gab, füllte mein Glas und hielt dabei den Krug möglichst hoch, um dem Bier den richtigen Schaum zu geben.
»So, Mr. Herriot, das macht einen Sixpence.«
Er brachte das Bier stets in einem großen Krug aus dem Keller, wo die Holzfässer standen. In einem modernen Gastbetrieb wäre das viel zu unpraktisch gewesen, aber im Fox and Hounds herrschte selten Betrieb, und Mr. Waters hatte keine Chancen, als Gastwirt einmal reich zu werden. Immerhin hatte er vier Kühe im kleinen Stall nebenan, fünfzig Hennen liefen in seinem Hintergarten herum, und seine zwei Säue warfen jährlich eine stattliche Anzahl von Ferkeln.
»Danke, Mr. Waters.« Ich nahm einen tiefen Schluck. Trotz der Kälte musste ich geschwitzt haben, denn ich war sehr durstig, und das Bier schmeckte mir ausgezeichnet. Ich war hier schon einige Male gewesen und kannte die Gäste. Besonders den alten Albert Close, einen Schafhirten im Ruhestand, der jeden Abend auf seinem Stammplatz in der Nähe des Feuers saß.
Er saß wie immer mit dem Kinn und den Händen auf den großen Stock gestützt, den er früher bei der Arbeit getragen hatte, und er starrte ins Leere. Halb unter der Bank und halb unter dem Tisch lag sein Hund Mick, der wie sein Herr alt und im Ruhestand war. Mick hatte sichtlich einen lebhaften Traum, denn seine Pfoten, Lefzen und Ohren zuckten, und hie und da bellte er leise.
Ted Dobson stieß mich an und lachte. »Der alte Mick hütet immer noch seine Schafe.«
Ich nickte. Zweifellos träumte der Hund von seiner großen Zeit, als er auf einen Pfiff seines Herrn im weiten Bogen um die Herde rannte und die Schafe zusammentrieb. Und Albert? Was mochte hinter jenem starren und leeren Blick liegen? Ich konnte ihn mir als jungen Mann vorstellen, wie er im windigen Hochland herumwanderte, Meile für Meile über Moor, Felsen und Bäche, und mit dem Stock in das Torf stieß. Es gibt keine besseren Schafhirten als die in den Dales, die bei jeder Witterung im Freien leben und sich bei Schnee und Regen höchstens einen Sack über die Schultern binden.
Und jetzt war Albert ein gebrochener alter Mann, den die Arthritis plagte und der apathisch unter dem ramponierten Schirm seiner alten Tweedmütze hervorlugte. Ich sah, dass er gerade ausgetrunken hatte, und ging zu ihm hin.
»Guten Abend, Mr. Close«, sagte ich.
Er hielt sich die Hand an das Ohr und blinzelte mich an.
»Was?«
Ich erhob die Stimme und rief: »Wie geht’s, Mr. Close?«
»Kann nicht klagen, junger Mann«, murmelte er. »Kann nicht klagen.«
»Möchten Sie noch ein Glas?«
»Vielen Dank.« Er wies mit einem zittrigen Finger auf sein Glas. »Hier können Sie noch ‘nen Tropfen reintun, junger Mann.«
Ich wusste, dass er mit einem Tropfen einen halben Liter meinte, und ich gab dem Wirt ein Zeichen, der kunstgerecht einschenkte. Der alte Schafhirt hob das Glas und blickte mich an.
»Zum Wohl«, grunzte er.
»Wohl bekomm’s«, sagte ich und wollte zu meinem Platz zurückgehen, als der alte Hund sich aufsetzte. Mein lautes Gespräch mit seinem Herrn musste ihn geweckt haben, denn er streckte sich schläfrig, schüttelte den Kopf einige Male und blickte sich um. Als er mich ansah, bekam ich einen Schreck.
Seine Augen waren entsetzlich. Man konnte sie kaum sehen, denn sie blinzelten durch eine Eiterschicht, die bis über die Wimpern lag, und zu beiden Seiten der Schnauze ergoss sich ein scheußlicher schwarzer Ausfluss über das weiße Fell.
Ich streckte die Hand nach ihm aus, er wedelte kurz mit dem Schwanz und schloss die Augen. So schien er sich wohler zu fühlen.
Ich legte die Hand auf Alberts Schultern. »Mr. Close, seit wann ist er in diesem Zustand?«
»Was?«
Ich sprach lauter. »Micks Augen. Sie sind in einem sehr schlechten Zustand.«
»Ach so.« Der alte Mann nickte verstehend. »Ist wohl ein bisschen erkältet. Hat er schon immer gehabt, seit
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