Meine Tochter Amy (German Edition)
machst so was. Wieso? Was war das Problem?“
Amy antwortete mit ihrem typischen Achselzucken. Sie wisse die Antwort nicht, sagte sie. Raye sagte alle weiteren Auftritte ab.
Ich frage mich, wieso sie nichts dazu sagen konnte, zu niemandem, nicht mal zu mir. Hatte sie das Gefühl, alle zu enttäuschen, wenn sie zugab, dass es ihr schwerer fiel, mit dem Trinken aufzuhören, als sie gedacht hatte, nach allem, was wir zusammen durchgemacht hatten? Wollte sie immer noch versuchen, das alles selbst in den Griff zu kriegen? War ihr nicht bewusst, dass ich ihr alles gegeben hätte, was sie brauchte?
Amy wusste, dass sie die Gigs nicht spielen musste, wenn sie nicht wollte. Das hatte Raye ihr immer wieder gesagt. Aber sie liebte es, mit ihrer Band zusammen zu sein, und wollte die Tour wirklich machen. Und Raye dachte, dass dadurch ihre Kreativität vielleicht wieder aufleben würde. Amy hatte oft gesagt, es langweile sie, die alten Songs zu singen. „Dann schreib neue“, hatten wir geantwortet.
Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob es wirklich Langeweile war. Ich glaube, es waren nur die Back-To-Black -Songs, die sie nicht mehr singen wollte. „Wake Up Alone“, „Unholy War“ und „Back To Black“ fielen ihr offenbar am schwersten. Sie erinnerten sie an Blake und eine Zeit in ihrem Leben, die sie verständlicherweise vergessen wollte. Raye meinte, durch die Songs kämen Erinnerungen an den Drogenteufelskreis in ihr hoch, was wiederum der Grund sei, weshalb sie vor Auftritten so viel trank.
Ich weiß nicht, ob es so war oder nicht, jedenfalls hatte Raye mit Amys Bandleader Dale Davis intensiv daran gearbeitet, Covers und Songs von Frank zwischen die Back-To-Black -Songs zu mischen, um den sich steigernden Ablauf von Liedern, die Amy an diese höllische Zeit erinnerten, aufzubrechen. Dale zeigte ihr stets die Setliste, und da sie ihm bedingungslos vertraute, stellte sie sie nie infrage. Das schien zu funktionieren, also waren wohl nicht die Songs die Ursache für Amys Verhalten in Belgrad.
Mit Reg war alles in Ordnung, das war es also auch nicht. Und Blake war Vergangenheit. Was löste dann den Rückfall aus? Erst später fanden wir heraus, dass Amy an dem schlimmsten Lampenfieber litt, das sie je erlebt hatte.
Damals war ich verzweifelt und dachte, Amy werde nun wieder regelmäßig trinken. Keiner von uns begriff, was da passierte. „Meine Tochter braucht Hilfe, und wir sind allesamt hilflos“, schrieb ich in jener Nacht.
Aber ich irrte mich total. Amy rührte keinen Tropfen mehr an, bis wenige Tage vor ihrem Tod.
20
„KNUDDEL MICH, PAPA“
Die nächsten paar Tage machten mich viele Leute per Twitter für Amys Auftreten in Belgrad verantwortlich. „Wie kannst du sie so auf die Bühne lassen?“, fragten Fans. „Du hättest wissen müssen, dass das passiert.“
Niemand ahnte, was Amy die Monate zuvor durchgemacht hatte. Keiner wusste, dass sie vor Belgrad wochenlang keinen Tropfen angerührt hatte. Und niemand begriff, wie sehr ihr ihre Musik damals half. Viele beschuldigten mich, viele beschuldigten Amys Management, aber Raye kann überhaupt nichts dafür. Amy wollte die Tour unbedingt machen, und diese Kommentare waren unglaublich verletzend.
Am 20. Juni, zwei Tage nach dem Belgrad-Gig, flog Reg nach Istanbul zu Amy. Mit ihm schien es ihr viel besser zu gehen: Sie wurde ruhiger und war in der Lage, vernünftig an die Zukunft zu denken. Auftreten wollte sie erst wieder, wenn sie ihr Lampenfieber im Griff hatte. Stattdessen plante sie, da das nächste Album immer noch in unbestimmter Ferne lag, in ihrem Heimstudio zu arbeiten. Back To Black war erst was geworden, als sie es als zusammenhängendes Ganzes sah, basierend auf dem Girlgroup-Sound, den sie liebte. Dass sie je eine Grundidee fand, um die Entwürfe unter einen Hut zu bringen, die sie für das neue Album gesammelt hatte, glaube ich nicht.
Am 22. Juni kam Amy nach Hause. Sie sah viel besser aus, dennoch hielt ich mich lieber zurück. Sie brachte das Gespräch selbst auf den Belgrad-Gig und meinte, wie enttäuscht sie nach der Ausnüchterung von sich gewesen sei. Es gefiel ihr nicht, was der Alkoholismus aus ihr machte, was er der Familie und Reg antat. Es war schrecklich, alle enttäuscht zu haben. Und sie sprach über ihr Lampenfieber. Sie hatte sich der Tour nicht gewachsen gefühlt und vor dem ersten Gig vor Nervosität regelrecht gezittert. Ein paar Drinks, dachte sie, würden helfen – taten sie aber nicht, also trank sie mehr.
„Während
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