Meine Tochter Amy (German Edition)
Amy war eindeutig in Bestform.
Später, in der Garderobe zeigte sie sich wieder von ihrer fürsorglichen Seite, als sie die Tochter meines Freundes Paul fragte: „Wie geht es deinem Drüsenfieber“?
Sie hatte Katie ein gutes Jahr nicht gesehen – unglaublich, dass sie sich daran erinnerte. Ich hatte es vollkommen vergessen, obwohl ich Katie oft traf.
Amy blieb weitere fünf Tage trocken, und ich war sehr zuversichtlich, was die Osteuropatour anging. Als ich jedoch am 17. Juni, einen Tag bevor sie nach Serbien abfliegen sollte, zum Camden Square kam, wusste ich sofort, dass etwas nicht stimmte. „Ich will die Tour nicht spielen, Papa“, sagte sie.
Ich war überrascht. Die Tournee war seit Anfang 2011 in Planung, und Amy hatte sie definitiv gewollt. All unseren Bedenken zum Trotz hatten Raye und ich uns ihrem Wunsch gefügt, für ihre Fans in Osteuropa zu spielen.
Seit Ewigkeiten lag sie mir in den Ohren, wie langweilig ihr sei. Meine Antwort war: „Mach einfach, was du am besten kannst – Musik. Geh auf Tour oder ins Studio.“
Und die letzten paar Monate war Amy, wenn sie nicht trank, sehr in die Vorbereitungen involviert. Sie spielte immer eine wichtige Rolle, wenn es um die Organisation ihrer Shows ging, kümmerte sich um die Kleidung der Band, die Inszenierung, die Lichtshow, um so gut wie alles. Seit Back To Black hatte sie eine sehr genaue Vorstellung davon, wie ihre drei Background-sängerinnen auf der Bühne aussehen sollten. Weil sie den Stil der Fünfziger und Sechziger so liebte, schickte sie Raye mal zum Kostümfundus der BBC, um drei babyblaue Dinnerkostüme zu leihen. Sie taufte das Trio Nights Before, und bei ihren letzten Gigs wollte sie schließlich, dass sie pfirsichfarbene Anzüge trugen.
Aber jetzt wollte sie die Tour plötzlich absagen. Ich verstand nicht, was sich geändert hatte, und sie konnte es mir nicht erklären. Alles, was ich aus ihr herausbekam, war, dass sie nicht wollte – ob wegen Lampenfieber oder aus Angst, sie könne wieder zu trinken anfangen, habe ich nie erfahren.
Tags darauf hatte Amy ihre Meinung erneut geändert und wollte doch auf Tournee gehen. Ich befürchtete immer noch, sie werde einen Rückzieher machen oder zu trinken anfangen. Bevor sie ins Flugzeug stieg, redete ich mit ihr, und sie schien gut drauf zu sein. Raye versprach, mich auf dem Laufenden zu halten. Die folgenden 48 Stunden kamen ständig Anrufe und SMS: „Sie ist im Hotelzimmer“, „Sie ist im Auto“, „Sie ist in der Halle“, „Sie ist auf der Bühne“ …
Dann, um Viertel vor sechs Uhr früh am 19. Juni, rief Raye an, der Gig sei ein totales Chaos gewesen.
Auf dem Weg dorthin war Amy im Auto in seltsamer Stimmung gewesen. Sie war nicht betrunken, aber im Hotel war sie sehr aufgeregt gewesen und wollte einen Drink, also hatte Raye ihr ein Glas Wein zur Beruhigung erlaubt. Wenn Amy auf der Bühne war, bat sie oft Leute um etwas zu trinken. In Belgrad passierte das nicht: Sie kam schon alkoholisiert auf die Bühne. Weder Raye noch Tyler, die beide an dem Tag bei ihr waren, hatten eine Ahnung, wie es dazu gekommen war. Sie musste Alkohol reingeschmuggelt oder jemanden dazu gebracht haben, das für sie zu tun.
Amy kam also in Belgrad betrunken auf die Bühne, und das zeigte Wirkung. Ihr Auftritt war katastrophal, viele Zuschauer buhten sie aus. Sie wusste nicht, in welcher Stadt sie war, hatte ihre Texte und sogar die Namen ihrer Musiker vergessen. Raye versuchte sie von der Bühne zu ziehen, aber sie ging nicht. Sie blieb 90 Minuten. Normalerweise dauerten ihre Gigs 75 Minuten. Das war der schlimmste von allen.
Danach fuhren sie direkt zum Flughafen. Die ganze Fahrt über verlangte Amy was zu trinken, aber Raye gab ihr nichts. Im Flugzeug fragte sie Raye, ob es der schlechteste Auftritt gewesen sei, den sie je gemacht habe.
„Ja“, antwortete Raye, „mindestens so schlimm wie Birmingham.“ Er schimpfte, sie habe alle enttäuscht. Amy gefiel das nicht, sie schimpfte zurück, stand schließlich auf und schmollte hinten im Flugzeug.
Der nächste Gig war Istanbul. Bei der Ankunft entschuldigte sich Amy bei allen.
„Jetzt ist Schluss“, sagte Raye. „Du kannst nicht hergehen und so arbeiten. Das ist lächerlich. Wenn du die Gigs nicht machen willst, machen wir sie nicht. Aber es ist eine schöne Reihe von Konzerten. Wir fahren an Orte, wo wir noch nie waren, spielen vor Leuten, die dich noch nie gesehen haben und dich wirklich sehen wollen. Und du gehst auf die Bühne und
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