Meine Tochter Amy (German Edition)
die Angst, dass es schlechte sind, das unglaubliche Deja-vu-Gefühl – und die Gewissheit, dass es allem guten Willen zum Trotz immer wieder von vorne beginnen wird. Selbst scheinbar gute Tage haben ihre Schattenseiten. Man genießt sie, so gut es geht, aber im Hinterkopf ist immer diese Angst, dass man am nächsten Tag wieder ganz am Anfang steht – oder schlimmer.
So war für mich das Leben mit Amy. Wenn mich jemand auf der Straße fragte, wie es Amy gehe, konnte ich nie sagen, was wirklich los war, weil es niemand verstanden hätte. Ich hatte lernen müssen, dass es so gut wie unmöglich ist, zu verstehen, wieso es immer wieder passiert. Die Leute hatten Mitleid, und wahrscheinlich dachten sie: Wie kann ihre Familie zulassen, dass das immer so weitergeht? Oder: Warum sperren sie sie nicht ein, bis sie clean ist? Aber wenn ein Süchtiger nicht aufhören will, kommt er immer an Drogen, und wenn er die Entzugsklinik verlässt, macht er weiter wie davor.
Amy ließ sich schon lange bevor sie süchtig wurde von niemandem etwas sagen. Danach wurde ihre Sturheit nur noch schlimmer. Manchmal wollte sie clean werden, aber noch viel öfter wollte sie es nicht.
Amy sollte an diesem Tag auf dem Glastonbury-Festival spielen, und ich war überrascht, als ich erfuhr, dass sie dort aufgetaucht war. Ich schaute mir ihren Auftritt im Fernsehen an. Sie begann nicht schlecht, aber dann wurde ihre Stimme sehr schwach, und sie trank auf der Bühne. Sie torkelte zwar nicht herum wie sonst, wenn sie betrunken war, aber sie war definitiv dabei, sich zu betrinken. Kurz vor dem Ende ihres Sets stieg sie in die Menge hinab. Die Leute waren begeistert, und sie strahlte.
Gleich danach brachte man sie in die London Clinic zurück. Mittlerweile hatten wir Sicherheitsleute, die in Schichten auf sie aufpassten, und am nächsten Tag rief mich Andrew an, der gerade Dienst hatte: Ein Paket sei unterwegs zu Amy. Ich sprang ins Taxi, fuhr ins Krankenhaus und kam gerade rechtzeitig, als ein Drogendealer mit einem Strauß Blumen für Amy daherkam. Er schwor, in den Blumen seien keine Drogen; Andrew durchsuchte den Strauß und fand einen kleinen Klumpen Crack. Der Dealer flog sofort raus. Amy drehte durch, als sie erfuhr, dass wir ihre Lieferung abgefangen hatten. Ich traute ihr nicht mehr, und das teilte ich ihr auch mit. „Du kannst brüllen und kreischen, so viel du willst. Wenn du zu Hause bist, kann ich sie nicht davon abhalten, zu dir zu kommen, so gern ich das täte, aber hier in der Klinik gibt es Türen, die man schließen kann, und Wachpersonal, und ich werde alle Hebel in Bewegung setzen, damit das Scheißzeug hier nicht reinkommt.“
© Press Association Images
Amy 2008 auf der Pyramidenbühne beim Glastonbury Festival
Amy war stinksauer, aber sie widersprach mir nicht.
Ein paar Tage später verließ sie die Klinik und fuhr nach Hause zum Prowse Place. Ich war erleichtert, dass sie meinem Vorschlag zustimmte, Sicherheitsleute ins Haus zu holen. Die Jungs wechselten sich ab, was bedeutete, dass ich mich etwas entspannen konnte, da rund um die Uhr jemand bei Amy war. Außerdem veranlasste ich, dass täglich eine Krankenschwester vorbeikam und ihr das Subutex verabreichte. „Keine Drogen mehr, Papa“, versprach Amy mal wieder, und wieder waren wir auf dem Weg der Genesung. Wie lange, wusste ich nicht, aber ich war fest entschlossen, immer da zu sein und einzugreifen, wenn sie von diesem Weg abkam, egal wie oft. Ich weiß, wie das auf Außenstehende wirkt: Entweder machte ich mir was vor, indem ich Amy jedes Mal aufs Neue bereitwillig glaubte, falschen Trost für mich und die Familie suchte, oder ich dachte wirklich, jedes Mal wenn Amy „Keine Drogen mehr, Papa“ verkündete, sei sie dem Ziel einen Schritt näher. Das mag jeder für sich selbst beurteilen.
Andrew und Amy freundeten sich bald an; ich vertraute blind darauf, dass er sich um sie kümmern würde, und das tat er für den Rest ihres Lebens.
Aber nicht lange nachdem die Sicherheitsleute engagiert worden waren, wollte Amy sie wieder loswerden. Das zeigte mir, wie gut sie ihren Job machten, keine Drogen ins Haus zu lassen. Ich musste mir jedoch eingestehen, dass sie nach wie vor Drogen brauchte, Subutex hin oder her.
„Die Wachleute sind zu deinem eigenen Besten“, erklärte ich ihr.
„Ich habe es einfach satt, dass sie ständig an mir dranhängen“, blaffte sie.
„Ja? Gewöhn dich besser dran, weil sie nämlich bleiben werden.“
Tags darauf rief mich Amy
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