Meine Trauer geht - und du bleibst
verstehen und sich dabei vom anderen in seinem Trauern anregen zu lassen.
Stehen Sie zu Ihrer Art des Trauerns. Sie ist auf ihre Weise für Sie richtig: »Ich bleibe bei meiner Art des Trauerns. Sie gehört zu mir und stimmt für mich.«
Lassen Sie dem anderen Menschen seine Art des Trauerns. Sie ist auf ihre Weise genau die richtige Trauer für ihn: »Ich respektiere deine Art des Trauerns. Sie gehört zu dir und ist für dich passend.«
Schauen Sie, was das Wichtige und Hilfreiche an Ihrer eigenen Art des Trauerns ist. Sehen Sie aber auch, was in dieser Art des Trauerns zu kurz kommt und wo sie ihre Schattenseite hat: »Meine Art des Trauerns ist nicht vollkommen und ihr fehlt etwas. Und deshalb brauche ich hier noch etwas anderes.«
Das Ergänzende finde ich bei meinem Mittrauernden. Bei allem Recht auf meine eigene Art des Trauerns brauche ich das Trauern des anderen als Gegenüber und als Ergänzung: »Ich prüfe, was ich von deiner Art des Trauerns lernen kann, weil ich weiß, dass es in deiner Art des Trauerns Wertvolles gibt, das ich von dir lernen kann.«
Umgekehrt dürfen Sie sich auch vom Mittrauernden wünschen, dass er etwas von Ihrer Art des Trauerns aufnimmt, damit Sie als Partner oder Familienmitglieder in Ihrem Trauern zusammenrücken: »Ich wünsche mir von dir, dass du etwas von meiner Art des Trauerns lernen kannst und für dich hilfreich werden lassen kannst.«
Machen Sie sich immer wieder bewusst, dass Sie bei aller unterschiedlichen Form des Trauerns um denselben Menschen trauern. Es geht nicht nur um Ihre ganz eigene Weise des Trauerns, sondern es geht um den geliebten Menschen, den Sie beide verloren haben: »Ich weiß, dass wir um denselben Menschen trauern und dass wir denselben Menschen in unserer Trauer lieben. Und ich weiß, dass du das weißt. Und in der Trauer und in der Liebe zu unserem Verstorbenen sind wir verbunden. Lass uns in ihm miteinander verbunden bleiben – auch wenn wir unterschiedlich trauern.«
4. Führt mein Zorn in die Verbitterung oder lässt er die Liebe zu dir stark werden?
Trauernder: Manchmal könnte ich alles kurz und klein schlagen. Ich bin oft einfach nur wütend.
Trauerbegleiterin: Wütend auf was?
Trauernder: Irgendwie auf alles, auch auf meinen Sohn, der beim Motorradfahren nicht aufgepasst hat.
Trauerbegleiterin: Wie geht es Ihnen mit dieser Wut auf Ihren Sohn?
Trauernder: Ich glaube, er hält das aus, außerdem liebe ich ihn ja doch.
Trauerbegleiterin: Welche Wut macht Ihnen dann am meisten zu schaffen?
Trauernder: Die auf das Leben überhaupt. Das Leben ist nur noch be … scheiden.
Trauerbegleiterin: Fühlt sich das auch bitter an!?
Trauernder: Warum auch nicht. Es ist doch verdammt bitter, einen Sohn zu verlieren.
Trauerbegleiter: Es gibt wohl nichts Schlimmeres, als ein Kind zu verlieren.
Der trauernde Vater stimmt mit einem Nicken zu.
Trauerbegleiter: Und doch könnten Sie sich durch Ihre Verbitterung schaden.
Trauernder sarkastisch: Und was macht das schon?
Trauerbegleiter: Ich könnte mir vorstellen, dass die Bitterkeit auch Ihre Liebe zu Ihrem Sohn verdunkelt.
Der trauernde Vater überlegt, dann laufen ihm Tränen über die Wangen.
Wut darf sein – sie ist die Empörung der Liebe
Es gibt keinen Zwang, dass wir im Trauerprozess Wut und Zorn erleben müssten, schon gar nicht gegen den Verstorbenen selbst. Dies wird zwar in der Trauerliteratur vom Trauernden immer wieder gefordert, dabei wird aber nicht verstanden, was der innerste Grund der Wut in der Trauer ist. Wieder ist die Liebe der innere Kern auch der Wut: Die Wut und der Zorn sind die Empörung der Liebe gegen den Tod und die Empörung gegen die harte Wirklichkeit, dass wir die Liebe nicht mehr real mit dem geliebten Menschen leben dürfen. Und deshalb wird und darf die Wut im Trauerprozess vorkommen, aber nicht als vorgeschriebener Zwang, sondern aus der inneren Not der Liebe heraus. Und immer wird unsere Liebe zum Verstorbenen die Wut aushalten und tragen, auch den Zorn gegen den Verstorbenen selbst. Dessen ist sich auch der Vater im obigen Trauerdialog sicher. Er ist wütend auf seinen Sohn, weil er mit seiner Unachtsamkeit sein Leben, aber auch die Möglichkeit, gemeinsam die Vater-Sohn-Beziehung zu leben, gefährdet hat. Dennoch ist die Liebe des Vaters größer als sein Zorn auf seinen Sohn, und aus dieser Liebe heraus wird er seinem Sohn irgendwann auch verzeihen können.
Die Wut gefährdet also unsere Liebe letztlich nicht. Deshalb können wir auch unsere Wut
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