Meine Trauer geht - und du bleibst

deine Liebe berührt mich sanft
    Trauernde: Die Liebe zu meinem Mann verändert sich und ich weiß nicht …
    Die Trauernde verstummt.
    Trauerbegleiter: Sie wissen nicht, was das zu bedeuten hat.
    Trauernde: Meine Liebe ist nicht mehr so intensiv, so brennend.
    Trauerbegleiter: Und damit weniger sicher?
    Trauernde: Sie ist so … wie soll ich sagen … so…?
    Trauerbegleiter: Könnte man sagen: »fein«?
    Trauernde: Fast schon zerbrechlich.
    Trauerbegleiter: Ist Ihre Beziehung zu Ihrem Mann gefährdet?
    Trauernde: Nein, aber es ist so anders als am Anfang. Es war viel intensiver und schwerer.
    Trauerbegleiter: Und jetzt ist Ihre Beziehung zu ihm weniger dicht und leichter?
    Trauernde nickt.
    Trauerbegleiter: Was könnte schön sein in dieser anderen Art Ihrer Liebe?
    Trauernde: Sie ist freier, gelöster.
    Trauerbegleiter: Auch heiterer?
    Trauernde: Auch heiterer!
    Trauerbegleiter: Und trotzdem nahe?
    Trauernde nickt.
    Trauerbegleiter lacht: Dann ist es doch gut.
Anfangs liebte ich dich verzweifelt – und nun kann ich das Verzweifelte in meiner Liebe lassen
    Die Liebe am Beginn des Trauerweges flammt auf aufgrund des Verlusts und aufgrund der Trauer. Es ist eine unendlich starke und brennende, aber auch verzweifelte und verzehrende Liebe. DieseLiebe will zunächst den Verstorbenen festhalten und ihn bei sich behalten, gerade auch ganz real und leiblich. Diese Liebe wehrt sich gegen den Tod, gegen die reale Abwesenheit des Geliebten. Genau diese kämpferische Liebe ist nötig, um angesichts einer ausweglosen Situation einen Ausweg zu finden. Diesen Weg findet die Liebe in einer neuen Weise des Liebens und in einer inneren Liebesbeziehung zum Verstorbenen. Auch wenn diese brennende Liebe allmählich in den Hintergrund tritt – immer wieder brauchen wir sie und immer wieder wird sie aufflammen. Wenn uns der geliebte Mensch zu entgleiten droht, dann meldet sich die kämpferische Liebe. Darauf können sich Trauernde verlassen. Deshalb müssen sie nicht befürchten, den geliebten Menschen eines Tages zu verlieren. Allmählich aber verschwindet das Verzweifelte in der Liebe, weil wir unseren geliebten Menschen an seinem sicheren Ort wissen und ihn dort sein lassen können. Wir können das Kämpferische, Verzweifelte und Festhaltende unsere Liebe gehen lassen und verabschieden. Damit machen wir unsere Liebe frei für das Leichte und Heitere in ihr.
Die Liebe zu dir leuchtet in mir
    Die Anfangsliebe in der Trauer ist so eng mit dem Schmerz verschmolzen, dass sie eine schmerzende und schmerzhafte Liebe ist. Jede Liebesregung in der Trauer ruft die schmerzende Abwesenheit des geliebten Menschen auf. Die Liebe im Verlust trägt in sich als Schattenbruder den Schmerz. In meinem zweiten Trauerbuch »Damit aus meiner Trauer Liebe wird – Neue Wege in der Trauerarbeit« habe ich beschrieben, wie sich dann in der Trauer die Liebe durchsetzt und stark bleiben kann.
    Wir wissen nun, dass die Liebe siegt – gegen den Tod und trotz der Abwesenheit des geliebten Menschen. So wird die Liebe klarer, eindeutiger und sicherer. Sie leuchtet in ihrer ganzen Kraft, so als wäre sie die Sonne, die sich durch schwere, niederdrückende Wolkenschichten doch noch durchgesetzt hat. Auch wenn immer wieder einzelne dunkle Wolken der Schwermut durch meine Seele ziehen, weiß ich, dass sich meine Liebe endgültig gegenüber dem Schmerz und der Trauer durchgesetzt hat. Auch wenn die Farbeder Liebe manchmal von der Abwesenheit des geliebten Menschen getrübt wird, bleibt sie mit ihrer Kraft und Energie in unserer Seele gegenwärtig. Die Liebesbeziehung zu meinem verstorbenen Menschen ist nicht mehr gefährdet, im Gegenteil: Sie ist eine ganz besondere Energiequelle für mich, aus der heraus ich auch die Aufgaben und Schwierigkeiten meines Lebens wieder angehen kann.
Geistig liebe ich dich – federleicht und schmetterlingsgleich
    Die Liebe in der Trauer ist klug genug zu wissen, dass der geliebte Mensch nun in einer anderen Seinsweise existiert. Deshalb sucht sie auch andere Wege, die Liebe zu leben. Die Liebe ist letztlich nicht an das Körperliche gebunden, sosehr sie sich auch liebend gerne im Körperlichen ausdrückt und realisiert. Die Liebe ist immer auch eine geistige Kraft, die sich in Gedanken, Gefühlen und inneren Bildern realisiert. Allerdings ist der Liebe zum Verstorbenen der Verzicht auf den realen Austausch auferlegt. Das bleibt schmerzlich und erinnert den Hinterbliebenen daran, wie wertvoll und ernst die geistige, verinnerlichte Liebe