Meine Väter
Schulgemeinde die Leitung von Wickersdorf wieder übernommen.« Zwei Jahre später muÃte sich Wyneken einem Prozeà stellen, da er zwei nackte Knaben umarmt hatte. Doch blieb er seinem »pädagogischen Eros« treu und plädierte dafür, »deutlich den Eros zu bekennen«, so muÃte er endgültig die Leitung der Schule niederlegen.
Wyneken rühmte in seinem Brief nach Cefalù Arnolds »unvergeÃliches« erstes Stück und fragte nach dem Manuskript: ob es denn nicht endlich und zwar unverändert erscheinen könne.
Wyneken und Arnold hatten sich 1914 kennengelernt, als Wyneken vor dem »Sprechsaal Wiener Mittelschüler« Siegfried Bernfelds einen Vortrag hielt. Dem Sprechsaal gehörten auch Gerhart und Hanns Eisler und deren Schwester Elfriede an.
»Wo war mein Manuskript? Gab es das überhaupt noch?« fragte sich Arnold. Und wem sollte er schreiben? Die Mutter konnte ja nicht mehr lesen. »Dem Professor aber konnte ich doch unmöglich wegen meines Stückes Vatermord schreiben. Wenn ich an das alles dachte, wurde ich am ganzen Körper kribbelig.«
Arnold kam zurück, zwei Dramen im Rucksack, Sturm gegen Gott und Exzesse , in heiÃen Palermo-Nächten nach homosexuellen Annäherungen verfaÃt.
Zu Hause, so Arnold, »war alles anders und schlechter«.
Ellida muÃte in einem Büro arbeiten, um Geld zu verdienen. Der Bruder Günther studierte, »der Professor lieà studieren«. Alles war knapp, »jeder Bissen wurde berechnet«, ein Dienstmädchen gab es nicht mehr. »Aber ich fand meine Stücke wieder, das wog alles auf.« Er schrieb Tag und Nacht an der Bearbeitung des Vatermords .
Es hatte ein berührendes Wiedersehen des Sohnes mit seiner Mutter gegeben, bei dem sich Ferdinand schmerzlich ausgeschlossen fühlen muÃte. »Daheim fand ich meine Mutter wieder, glücklich, sie eine kurze Zeit allein zu haben, unglücklich über ihr verlorenes Augen-Licht.« Eine rapide fortschreitende Netzhautablösung. Arnold war besorgt. Er führte sie sorgfältig durchs Zimmer, als habe er Angst, sie könne fallen und sich etwas brechen. Dabei bewegte sich Martha in den Räumen mit groÃer Sicherheit. Er kämmte sie am Morgen und brachte ihr abends den Shawl. Stundenlang nahm er Martha in Beschlag und besprach mit ihr Dinge, von denen Ferdinand nichts wissen sollte.
Die Ereignisse überstürzten sich. Nun kamen noch Zeilen von Max von Millenkovich-Morold, dem Ferdinand Arnolds im Gefängnis geschriebenes Stück Sturm gegen Gott â ein Stück ganz nach Ferdinands Geschmack â geschickt hatte, einen Einakter, der unter Kaiserjägern während einer Nacht im Schützengraben in den Dolomiten spielte.
Ferdinands Freund, der dessen neues Stück so brüsk abgelehnt hatte, bot in diesem Brief Arnold nicht nur einen Vertrag, sondern auch einen Vorschuà und den sofortigen Druck an. Das brachte Ferdinand nochmals zu BewuÃtsein, daà seine Zeit vorbei war. Zudem wurden die beiden Erstlingsstücke Arnolds in Alfred Wolfensteins Jahrbuch Die Erhebung , und Vatermord als Buchausgabe bei S. Fischer herausgebracht.
Zuletzt bekam Ferdinand noch einen Brief seines Freundes Franz Servaes, der Arnold eine Wohnung und Arbeit bei einer Berliner Bank anbot. Auch Servaes rechnete also mit Arnolds Erfolg â das berührte Ferdinands wunden Punkt. Deshalb zog Arnold nach Berlin-Steglitz, wo Servaes wohnte! Er hatte keine Hemmungen, heimlich die Verbindungen seines Vaters zu nutzen.
Mit dem Vater gab es nur noch Streit. Gegen dessen Willen hatte sich Arnold statt in Jura in Deutsche Philologie und Philosophie immatrikuliert.
Arnold schrieb nachts bei Kerzenlicht, damit kein heller Schein im Flur sichtbar wurde. AuÃerdem wuÃte er, daà elektrisches Licht für den Vater ein Vorwand gewesen wäre, sofort die Tür aufzureiÃen, Licht aus! Strom ist zu teuer! Ferdinand liebte die notwendig gewordenen SparmaÃnahmen, sie erfüllten ihn mit tiefer Befriedigung und erinnerten ihn an seine Herkunft. Er war aus Not geizig geworden und registrierte jeden Bissen, den einer zuviel nahm.
Die Fotos. Seitdem Arnold aus dem Krieg heimgekehrt war, hingen noch mehr Fotos von Rudi an den Wänden. Eine VergröÃerung zeigte ihn in Uniform. Bilder vom Neugeborenen bis zum Soldaten, in dessen Zügen er die eigenen wiederfand. Immer dieses Gefühl, gegen Rudi nicht
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