Meine Wut ist jung
Dokumente, die belegen könnten, dass Vermittler und Bank kollusiv zum Nachteil der Anleger zusammengewirkt hatten, müssen von der Bank im Prozess nicht vorgelegt werden. So waren wir meist nur erfolgreich, wenn uns Hintergrundmaterial von Dritten zugespielt wurde. Hinzu kommt, dass es nicht sinnvoll ist, auf eine Entscheidung zu warten, wenn sich diese Prozesse durch mehrere Instanzen über Jahre hinweg ziehen. Oft geht es um Summen, die die schiere Existenz bedeuten. Wir haben deshalb die meisten Verfahren außergerichtlich oder durch Vergleiche vor Gericht beigelegt. Im Schrottimmobilienskandal haben die Banken, die Rechtsprechung, die Finanzaufsicht und nicht zuletzt die Politik versagt. Insofern ist er exemplarisch.
Wie nahmen die Menschen solche Schicksalsschläge auf?
Es hat mich immer beschäftigt, wie ein einzelner Mensch mit einem solchen Schicksalsschlag umgeht. Selbst der Verlust einer relativ kleinen Summe durch betrügerische Finanzdienstleister kann für manchen schon von existenzieller Bedeutung sein. Das Vertrauen dieser Menschen ist oft missbraucht worden. Noch berührender ist es, wenn ich Menschen begegne, die etwa bei einem Flugzeugabsturz oder bei einer anderen Katastrophe Angehörige verloren haben. Meine Rolle als Anwalt sehe ich nicht nur als die eines Rechtsberaters, sondern in gewisser Weise auch als die eines Lebensberaters.
Welche Defizite haben Sie im Bereich des Verbraucherschutzes festgestellt?
In Deutschland begann sich der Verbraucherschutz zu etablieren, als Gustav Dahrendorf - der Vater von Ralf Dahrendorf - 1953 die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände gründete. Sein Ziel war es, den Verbraucher »aus seiner Vereinzelung« zu befreien, ihn aus der Position des »vergessenen Sozialpartners« zu holen und zum »Subjekt der Wirtschaft« zu machen.
Der Verbraucherschutz im Bereich der Finanzen und des Kapitalmarkts hat sich allerdings nur sehr langsam entwickelt. Erst die Finanz- und Wirtschaftskrisen des letzten Jahrzehnts gaben ihm einen neuen Schub. Die Schwachstellen wurden aufgespürt und Thema öffentlicher Auseinandersetzungen. Edda Müller, bis 2007 Vorstand des Bundesverbandes Verbraucherzentrale e.V., hat diesen Prozess energisch mit angestoßen. Auch die Politik entdeckte dieses Feld, ohne allerdings einen konsequenten Schutz zu gewährleisten. Ohne zusätzliche Altersvorsorge kann der erreichte Lebensstandard im Rentenalter heute kaum noch gehalten werden. Die Anbieter von Vorsorgeprodukten stehen in einer besonderen Verantwortung und auch der Staat, der die Menschen auf die Notwendigkeit einer Eigenvorsorge verpflichten will. Hier muss ich wieder an Ludwig Erhard erinnern, der sagte: »Soziale Marktwirtschaft ist eine Veranstaltung für die Verbraucher, nicht für die Wirtschaft.« Marktwirtschaft braucht auch auf diesem Feld faire Spielregeln.
Wie gehen Sie im Interesse Ihrer Mandanten mit Ihren mächtigen Gegnern um?
Es geht oft um Fälle, in denen sich Geschädigte in einer David-gegen-Goliath-Situation befinden, zum Beispiel der geprellte Anleger oder das Unfallopfer gegen einen Finanz- oder Versicherungskonzern. Wir versuchen, die Schwächeren auf Augenhöhe gegen einen oft mächtigen Gegner zu bringen. Die Anwälte unserer Kanzlei verfolgen insofern zugleich Ziele, die ein Umdenken in der Gesellschaft bewirken sollen. Sie werden regelmäßig als Sachverständige in Gesetzgebungsausschüsse des Bundestages eingeladen.
Sie haben neben Ihrer Rolle als Anwalt auch einen politischen Ehrgeiz, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verbessern?
Waffengleichheit ist nur durch Umkehr der Beweislast herzustellen. Wir kämpfen dafür, dass die Bank beweisen muss, ordentlich beraten zu haben. Auch die Finanzaufsicht muss neben der Solvenzaufsicht den Verbraucherschutz einbeziehen.
Wir fordern den Fair Deal mit dem Verbraucher, wie er beispielsweise in der englischen oder US-amerikanischen Finanzaufsicht die Regel ist. Die Lehman-Brothers-Zertifikate, die in Deutschland Zigtausende Sparvermögen älterer Menschen ruiniert haben, durften in den USA überhaupt nicht an US-Bürger verkauft werden. Obama hat in den USA als Konsequenz aus der Finanzkrise eine starke Verbraucherschutzbehörde gegründet und die Finanzaufsicht gestärkt. Warum geschieht das nicht bei uns?
Wir haben uns auf Anlegerschutz, auf Bank- und Kapitalmarktrecht sowie auf Arbeitsrecht spezialisiert. Gleichzeitig haben wir uns darauf festgelegt, grundsätzlich keine Banken, Versicherungen oder
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