Meine Wut ist jung
ist Maschmeyer kein Ausnahmefall.
Müssen die Menschen sich im Klaren sein, dass die Banken keine Berater, sondern Verkäufer beschäftigen?
Es ist ja so, dass viele, gerade auch ältere Leute, in dem Bankberater noch den Bankbeamten sehen, dem sie vorbehaltlos vertrauen können. Sie erkennen dabei nicht, dass der Berater oft unter einem ungeheuren Erfolgsdruck steht. Seine Bezüge sind in den meisten Fällen abhängig vom Verkaufserlös. Das heißt, er arbeitet provisionsorientiert und nicht in erster Linie kundenorientiert.
Müsste das offener dargelegt werden?
Inzwischen ist durch den Gesetzgeber allerhand geschehen, um eine stärkere Transparenz herbeizuführen. Doch dem Verbraucher steht auch eine andere Möglichkeit offen, nämlich sich gegen Honorar beraten zu lassen. Etwa bei der Quirin Bank. Bezahlt wird die Beratung dort nach Stundenaufwand. Im Gegenzug versichert der Berater, dass er keinerlei Provision nimmt. Auch wenn Provisionen heute offengelegt werden müssen - da sind wir sehr viel weitergekommen -, ist der Honorarberater grundsätzlich unabhängiger bei der Auswahl der Produkte.
Eine weitere Gruppe von Menschen, um die Sie sich als Opferanwalt gekümmert haben, war in einer noch viel beklagenswerteren Lage. Ich meine Ihr Engagement für die russischen Zwangsarbeiter. Wie kam es zu dieser Verbindung?
Für mich bedeutet dieses Mandat eine ganz wichtige Lebenserfahrung. Ich hatte schon immer Kontakte zu Russland, auch emotionale. Meine Großeltern waren Russen, meine Mutter wurde in Moskau geboren. Mir ist die russische Lebens- und Wesensart sehr vertraut und sympathisch. Daher habe ich mich in Russland immer wohlgefühlt. Bereits 1966 hatte ich als Vorsitzender des Jugendverbandes der FDP, den Deutschen Jungdemokraten, Russland bereist. Es ergaben sich vielfältige persönliche und politische Kontakte, die sich auch in Gegenbesuchen vertieften. Wir wollten auf unserer Ebene die Fronten des Kalten Krieges aufbrechen.
War zu diesem Zeitpunkt ein freier Gedankenaustausch möglich?
Es war wohl eher ein gelenkter Gedankenaustausch, aber doch mit einiger Wirkung, auch auf unsere Gesprächspartner. So setzten wir uns etwa für die inhaftierten Dissidenten ein. Natürlich sprachen wir mit vom Regime ausgesuchten Leuten, aber immerhin waren wir damals die einzige deutsche Jugendorganisation, die solche Kontakte pflegte.
Wie kam es zu dem Zwangsarbeiter-Mandat?
Nach jahrelangem Stillstand kam die Sache erst durch Klagen der Opfer gegen deutsche Firmen in den USA in Bewegung. Noch so gute Argumente für eine Entschädigung wurden vorher auch durch die Mehrheit meiner Fraktion abgelehnt. Ich wurde von Russen kontaktiert und habe sofort zugestimmt, das Mandat zu übernehmen. Mithilfe eines ehemaligen russischen Botschafters in der Bundesrepublik Deutschland haben wir Druck gemacht. Meine Rolle war schließlich die eines Koordinators für alle Osteuropäer. Ich konnte diese gut beraten, weil ich ja wusste, wie man mit der deutschen Regierung und mit deutschen Parlamentariern umgeht. Nach und nach konnten wir die Entschädigungssumme nach oben treiben. Graf Lambsdorff, der die Seite der Bundesregierung vertrat, leistete Widerstand. Aber der Druck - auch durch die amerikanische Regierung - war zu stark. Die deutschen Firmen fürchteten hohe Entschädigungsansprüche. Ich habe mehrfach mit den Amerikanern und den Opfergruppen in Washington zusammengesessen, um Strategien gegen die zögernde Bundesregierung zu entwickeln. Es wurde dann das bekannte Ergebnis erzielt, was mich heute noch sehr befriedigt.
Das war ein typischer Fall, in dem ich meine anwaltliche Tätigkeit mit meiner politischen Überzeugung und meinem politischen Einfluss verbinden konnte.
»Es lohnt sich immer, dafür zu kämpfen«
Die Sicherung der Menschenrechte - eine Lebensaufgabe
Sie haben sich als Jurist und Politiker nicht nur in Ihren Rollen als parlamentarischer Staatssekretär wie als Innenminister und später als Bundestagsabgeordneter intensiv mit dem Thema Menschenrechte befasst. Bis heute bewegt es Sie sehr. Was war der Anstoß, sich dafür so stark zu engagieren?
Vor allem die deutsche Vergangenheit. Ich habe ja noch das Ende der Nazizeit bewusst miterlebt: den Unterdrückungsmechanismus, dieses Sich-ducken-Müssen gegenüber Blockwarten, wehrlos ausgesetzt zu sein auch gegenüber anderen Instrumenten eines totalitären Staates. Das habe ich tagtäglich vor Augen gehabt und dann auch erfahren, wie nach dem Zusammenbruch die
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