Meine Wut ist jung
aus der mangelhaften Organisation der Veranstaltung ergibt. Man muss die strafrechtliche von der Organisationsverantwortung und von der politischen Verantwortung trennen. Deshalb versuchen wir zunächst einmal, die Hauptplayer dazu zu bringen, ihre Verantwortung zu übernehmen. Meines Erachtens haben alle Beteiligten Fehler gemacht: der Veranstalter, die Stadt, das Land und die Polizei, welchen Anteil im Einzelnen sie auch haben mögen.
Sie planen für die Opfer eine Stiftung.
Durch eine Stiftung könnte man Entschädigungen vornehmen, die gemeinsam von allen Beteiligten finanziert würden, bevor die Einzelheiten rechtlich geklärt sind. Das könnte sich noch sehr lange hinziehen.
Was bedeutet es denn für Opfer, jahrelang warten zu müssen, bis eine juristische Klärung erzielt ist?
Für die Opfer ist es eine große Belastung, auch finanziell. Einige bedürfen einer langwierigen medizinischen Behandlung. Wer übernimmt hier die anfallenden Kosten? Möglicherweise ist eine Behandlung wegen traumatischer Spätfolgen notwendig. Ein junger Mensch, der miterlebt hat, wie neben ihm seine Freunde zu Tode getrampelt worden sind, trägt das möglicherweise ein ganzes Leben mit sich und braucht eine psychotherapeutische Behandlung auch noch nach vielen Jahren.
Welche Lehren ziehen Sie schon jetzt aus der Love-Parade-Katastrophe?
Die Love Parade und das unwürdige Gezerre um die Frage der Verantwortung für die Katastrophe hat bei vielen Menschen Vertrauen zerstört: Vertrauen in die Sicherheit von Großveranstaltungen, in staatliche Kontrollen, in die Kompetenz von Verantwortlichen. Dieses Vertrauen zurückzugewinnen, wird mühsam werden. Man wünscht sich, dass zumindest zwei Dinge aus der Love-Parade-Katastrophe gelernt werden: Veranstalter von Großereignissen müssen gezwungen werden, sich für den worst case angemessen zu versichern. Und: Nie wieder darf es in Deutschland eine derart miserabel geplante und schlecht kontrollierte Massenveranstaltung geben.
Sie vertraten einige Hundert Mandanten, die sich vom Finanzdienstleister AWD geprellt fühlten. Der langjährige Firmenchef Carsten Maschmeyer hat seine Agentur mittlerweile verkauft und spricht von Einzelfällen. Wie sieht es nach Ihrer Einschätzung wirklich aus?
Maschmeyer ist für uns eine besondere Reizfigur. Er hat einen wirtschaftlich sehr erfolgreichen Finanzdienstleister aufgebaut. Damit hat er enorm viel Geld verdient, nach unserem Empfinden allerdings mit äußerst aggressiven Verkaufsmethoden.
Die AWD-Berater standen oft unter einem hohen Verkaufsdruck. Das heißt, sie haben mit allen Mitteln versucht, Finanzprodukte an den Mann und an die Frau zu bringen. Darunter waren sehr schwache Produkte, die nicht das gebracht haben, was den Anlegern in Aussicht gestellt worden war. Maschmeyer hat dafür sogenannte Drückerkolonnen beschäftigt. Ein Fernsehbeitrag des Norddeutschen Rundfunks hatte den bezeichnenden Titel »König der Drückerkolonne«. Nimmt man die vom AWD vermittelten Graumarkt-Produkte - z.B. DLF, Immobilienfonds (Falk-, Fundus-, DCM-Fonds) oder Medien-Fonds (IMF) - so kann man ohne Übertreibung sagen, dass infolge dieser AWD-Vermittlungen deutschen Anlegern Schäden in Milliardenhöhe entstanden sind. Wenn Carsten Maschmeyer heute also sagt, Deutschland sei gut zu ihm gewesen, kann man aus Sicht dieser Anleger wohl kaum sagen, dass er gut zu Deutschland war. Wir haben eine Anzahl von Geschädigten vertreten und uns in einer Reihe von Fällen mit dem AWD geeinigt. Aber einige Male sind wir unterlegen, weil wir einfach nicht die notwendigen Beweise hatten.
Wenn Maschmeyer jetzt ein Buch publiziert und den Menschen einen Weg zum Erfolg zeigen will, ist das geradezu zynisch. Denn zum Teil jedenfalls war er erfolgreich auf Kosten anderer. Es befremdet schon sehr, wenn dieses Buch auf Bestsellerlisten landet und Maschmeyer sich in seinen angeblichen Erfolgen sonnt. Völlig unverständlich ist mir, dass Spitzen unseres Staates zu den persönlichen Freunden von Carsten Maschmeyer gehören und ihn unterstützt haben.
Sind die Kunden weitgehend machtlos, wenn sie durch Anlagegeschäfte ihr Geld verlieren?
Viele Menschen haben in den letzten Jahren ihr Geld bei Banken verloren. Auch mit Finanzprodukten, von denen sogar ein prominenter Banker, nämlich Hilmar Kopper, einmal gesagt hatte, er verstünde sie selber nicht. Und doch wurde in den letzten Jahrzehnten immer wieder mit Produkten gehandelt, die nicht oder nur schwer durchschaubar waren. Da
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