Meine Wut ist jung
wird sich die Wiener Menschenrechtskonferenz der UN zum 20. Mal jähren. Die Konferenz war damals bahnbrechend, weil sie deutliche Signale setzte und die menschenrechtlichen Gräben des Kalten Krieges überwand. Was war Ihrer Meinung nach das wichtigste Ergebnis dieser Konferenz?
Ich war deutscher Delegationsleiter. Diese Konferenz war wirklich ein Höhepunkt in meiner Menschenrechtsarbeit. Unter heftigem Tauziehen haben wir eine Abschlusserklärung erkämpft, die der Allgemeinen Erklärung von 1948 entsprach und diese fortentwickelte. Wir mussten uns dagegen wehren, dass eine ganze Reihe von Staaten den Menschenrechtsanspruch relativieren, ihn verwässern wollte durch Hinweise auf andere Kulturen und Religionen. Der größte Erfolg von Wien war, die Menschenrechte als universelle, unteilbare Menschenrechte erneut zu bekräftigen. Das ist gelungen unter anderem deshalb, weil während dieser Zeit nicht weit weg von Wien die schrecklichen Gewalttaten im früheren Jugoslawien stattfanden und die Zusammenarbeit mit den früheren Ostblockstaaten gut funktionierte. In Wien wurde das Projekt des Internationalen Strafgerichtshofes vorangetrieben. Inzwischen ist er gegründet und aktiv. Ein Hochkommissar für Menschenrechte wurde gefordert und später eingerichtet. Damit sind die Menschenrechte bei den Vereinten Nationen als Querschnittsthema anerkannt worden. Menschenrechtsverletzungen an Frauen und Kindern wurden zu einem sichtbaren Thema. Neben den klassischen Themen wurde auch der Blick auf die sozialen und kulturellen Menschenrechte geschärft. Die Rechte der Nicht-Regierungsorganisationen konnten gefestigt werden. Ein Kollege, mit dem ich sehr eng zusammenarbeitete, war der französische Delegationsleiter Stéphane Hessel, dessen Buch »Empört Euch« auch in Deutschland zu einem überragenden Erfolg wurde. Er war bereits 1948 Sekretär der UN-Menschenrechtskommission und schon bei der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung als junger Diplomat dabei.
Sie waren danach zwei Jahre lang UN-Sonderberichterstatter für den Sudan. Was waren dort Ihre Aufgaben?
Ich wechselte meinen Auftraggeber und wurde nun für die Vereinten Nationen tätig. Es galt, die Menschenrechtssituation im Sudan zu untersuchen und zu bewerten. Unter anderem durch intensive Kontakte zur dortigen Zivilgesellschaft, also zu Menschenrechtsanwälten, Frauenorganisationen, zu einzelnen Opfern oder zu Redakteuren von (verbotenen) Zeitungen. Und natürlich zu Politikern von Regierung und Opposition. Im Rahmen des Mandats war ich etwa drei Monate im Jahr unterwegs. Meine Berichte musste ich vor der UN-Generalversammlung in New York vertreten.
Standen Sie dabei immer unter dem Schutz der Vereinten Nationen?
Ich konnte die gesamte Logistik der Vereinten Nationen nutzen, durfte aber nur Gebiete besuchen, in denen ich nicht gefährdet war. Wir flogen oft stundenlang mit einer kleinen Cessna immer wieder durch Gewitterfronten über dieses riesige Land und landeten auf kleinen Urwaldpisten. Ich begegnete vielen unterschiedlichen Stämmen und Menschen, die mir in der Regel herzlich entgegenkamen. Der Süden ist tropisch. Dort gibt es riesige Sümpfe, so weit das Auge reicht. Wenn man darüber fliegt, spiegelt sich die Sonne im Wasser. Im Norden ist die Landschaft dagegen von Wüste geprägt. Ein faszinierendes Land mit einem großen ökonomischen Potenzial. Als ich dort tätig wurde, dauerte der Krieg zwischen Nord- und Südsudan schon viele Jahre und hatte das Land schrecklich zerrissen. Die englischen Kolonialherren hatten einen Staat zurückgelassen, der in dieser Form mit sich selbst nicht zurechtkam. Bis heute herrscht große Instabilität.
Die Weltgemeinschaft hat in der Region Darfur die Ermordung von Zehntausenden geduldet, massenhafte Vergewaltigungen und die Vertreibung von weit mehr als zwei Millionen Menschen hingenommen. Warum geschah nichts, außer der Verurteilung durch den Weltsicherheitsrat? Und das war schon schwierig genug!
Im Sudan herrscht eine außerordentlich komplexe Situation. Durch ein Friedensabkommen in den 1990er-Jahren ist der Krieg zwischen Nord und Süd formell beendet worden. Die Lage hat sich aber bis heute nicht beruhigt. Der Nord- und der Südsudan tragen bis jetzt heftige kriegerische Konflikte aus. Die beiden Staaten sind auch in ihrem inneren Gefüge nicht stabil. Neben dem Nord-Süd-Konflikt ist Anfang der 1990er-Jahre ein neuer Brandherd im Norden entstanden - in Darfur. Lange vorher hatten wir vergebens vor dem
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