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Meine zwei Halbzeiten

Titel: Meine zwei Halbzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Berger
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mit euch Ski fahren. Und heute Abend geht’s im Brauhaus rund!»
    Keiner fragte weiter nach. Jeder wird sich seinen Teil gedacht haben. Wir schnallten uns die Skier unter und stürzten uns
     unter den üblichen Männersprüchen wieder in das Treiben auf der Piste, bis der Abend einbrach.
    Es war nicht einfach, in der DDR kurzfristig eine Unterkunft zu finden. Spontane Unternehmungen waren in einem System, in
     dem man nur angemeldet reisen durfte, nicht vorgesehen. Doch unabhängig davon gab es in dem einzigen Skigebiet des Landes
     nur wenige Hotels, weshalb die Nachfrage groß war und die Quartiermöglichkeiten begrenzt. Und natürlich gehörte auch hier,
     in dieser schönen Landschaft, das eine oder andere Hotel der Partei.
    Durch Beziehungen bekam ich noch in einer Pension, die zum Café König gehörte, eine Kammer zugewiesen, direkt unter dem Dach,
     wenn auch ohne Heizung. Anschließend ging ich runter ins Café, das von Bernd Weber geführt wurde. In diesem Lokal, wo sich
     gern die VIPs der DDR trafen, war es gut geheizt, und Bernd freute sich, wenn ich bei ihm zu Gast war. Mit ihm redete ich
     als Erstes immer über die Bundesliga-Ergebnisse, danach wurden die unserer Oberliga durchgegangen, und schließlich ließen
     wir uns über die Leistungen der Wintersportler aus. In seinem |118| Beisein durfte ich, ein großes Privileg, mein Bier selbst zapfen, was auch bedeutete, dass ich es nicht bezahlen musste.
    Den Abend verbrachten wir im Brauhaus, wir aßen und tranken; dabei achtete ich darauf, dass mir kein falsches Wort über die
     Lippen kam. Gerade bei feucht-fröhlichen Zusammenkünften konnte man unbedacht etwas erzählen, was man gar nicht erzählen wollte.
     Und ich befand mich gerade in einer Phase, in der die Gefahr groß war, dass ich mich unter Alkoholeinfluss gehenließ und leichtsinnig
     wurde. Ich musste wirklich aufpassen. Zumal wegen der auch hier anwesenden Prominenz davon auszugehen war, dass an diesem
     Ort die «PG Heimlichkeit» – einer der Decknamen der Stasi – besonders aktiv war (PGH stand eigentlich für «Produktionsgenossenschaft
     des Handwerks»).
    In unserer Runde saßen noch ein paar andere Sportler, ein Hochspringer etwa sowie Gaby Seyfert, eine sehr bekannte Eiskunstläuferin
     und Trainerin, aber auch der DEF A-Schauspieler Gojco Mitic, der in vielen DD R-Indianerfilmen mitgespielt hatte, und Henning Protzmann, der spätere Bassgitarrist der Gruppe Karat.
    Ich selbst muss nicht nur an diesem Abend eine gelungene Darstellung abgeliefert haben. Wie ich nachträglich aus meinen Stasiakten
     erfuhr, konnten die auf mich angesetzten IMs kein kritisches Verhältnis zum Staat bei mir feststellen. Auch eventuelle Fluchtgedanken
     waren ihnen nicht aufgefallen.
    Im weiteren Verlauf des Abends trat die Hammer-Disko auf, ein Duo, das aus einem Discjockey und seiner Freundin bestand. Während
     er die Musik auflegte, tanzte sie vor einem Scheinwerfer, an dem eine umlaufende Polaroidscheibe angebracht war. Dadurch wurde
     der Saal in einem bestimmten Sekundenabstand hell erleuchtet und ebenso schnell wieder verdunkelt. Auf diese Weise konnte
     man etwas schemenhaft, aber letztlich doch gut erkennen, wie sich die Frau nach und nach all ihrer Kleider entledigte – ein
     von der DD R-Kulturpolitik genehmigter Striptease.
    |119| Spät in der Nacht ging ich in meine Dachkammer hoch und legte mich mit Mütze, Schal und Skianzug, den ich zum Schlafen wieder
     angezogen hatte, auf meine Liege. Daneben stand mein kleiner Koffer. Das war mein Dänemark, bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt
     (das Spiel ging übrigens auch nur 0   :   0 aus). Dennoch war ich selig. Ich hatte das Beste aus dieser frustrierenden Situation gemacht.
    Im Sommer 1978 wiederholte sich die Situation, als im Rahmen der Qualifikation zum UEF A-Turnier in Polen eine Begegnung gegen Griechenland auf Kreta anstand. Da nur wenige Tage später das Rückspiel in Babelsberg stattfinden
     sollte, wurde ich diesmal sogar dazu verdonnert, in Kienbaum zu bleiben – als einziger Gast, denn es war gerade Feiertag.
     Dahinter steckte eine perfide Strategie: Der Aufenthalt in der Sportschule stellte sicher, dass man mich in den zwei Tagen,
     die die Auslandsreise dauern sollte, nicht in der Öffentlichkeit sah. Anderenfalls wären überflüssige Fragen und Erklärungsnöte
     heraufbeschworen worden, wähnte man mich doch bei meinen Spielern. Mit anderen Worten: Ich sollte weggeschlossen werden. Wieder
     einmal war ich

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