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Meine zwei Halbzeiten

Titel: Meine zwei Halbzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Berger
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uneingeschränkt in den Westen reisen durfte,
     dazu war zu viel passiert. Deshalb hatte ich nicht die Absicht, mich zu sehr an eine Frau zu binden. Sollte es mir tatsächlich |122| gelingen, das Land zu verlassen, wollte ich sowohl ihr als auch mir emotionale Probleme ersparen und sie vor allem nicht in
     ein «Staatsverbrechen» hineinziehen. Bei einer Republikflucht, aber auch beim Auffliegen entsprechender Vorbereitungen drohten
     nicht nur den Familienangehörigen Sippenhaft, sondern ebenso Freunden – selbst wenn der Staat das immer leugnete. Ich hatte
     aber von genügend Beispielen gehört, bei denen die zurückgebliebenen Ehefrauen oder Freundinnen von Republikflüchtigen berufliche
     Degradierungen hinzunehmen hatten oder sogar ins Zuchthaus kamen – sofern nachgewiesen werden konnte, dass sie Kenntnis von
     den Plänen gehabt hatten. Vorhandene Kinder durften nicht studieren. Für mich bedeutete dies von Anfang an, dass ich eine
     eventuelle Flucht allein durchziehen, sie selbst in die Hand nehmen musste.
    Sehr viel konkreter waren meine Pläne allerdings noch nicht. Auf professionelle Fluchthelfer angewiesen zu sein, diese Vorstellung
     erschien mir viel zu riskant. Und einen Ausreiseantrag konnte ich nicht stellen. Der Grund: Ich galt als Geheimnisträger.
     In meiner Wohnung befanden sich Materialien, die ich zu Hause aufbewahren durfte, aber nach Gebrauch stets wegschließen musste,
     damit sie kein anderer in die Hände bekam. Es waren Unterlagen über Spieler, Lehrgänge, wissenschaftliche Methoden einer neuen
     Trainingsplanung. Jemanden, der Einblick in solche Informationen hatte, würde der Staat niemals freiwillig gehen lassen.
    Ich überlegte immer noch: Wie hatte Werner Lempert erfahren, dass ich ein Verhältnis mit Monika hatte? Jemand musste mir nach
     Potsdam gefolgt sein. Eine andere Erklärung gab es nicht. Die Stasiakten bestätigten später meine Vermutung. Man hatte sogar
     einen «Wegweiser» angefertigt für die Route, die ich mit meinem Trabi von Babelsberg nach Wilhelmshorst nahm, inklusive jeder
     Bahnschranke und einer Strichzeichnung für das Wohnhaus, in dem Monika lebte.
    |124| Monika war damals jedoch nicht meine einzige Freundin. Ich wartete schon darauf, dass Lempert noch die zweite Frau ins Spiel
     brachte. Fehlanzeige. Anscheinend hatte man nichts über Karin in Erfahrung gebracht, obwohl sie in demselben Block in der
     Bruno-Plache-Straße wohnte wie ich. Wäre ich frech genug gewesen, hätte ich sogar in Hausschuhen den langen Gang hinuntergehen,
     in den Fahrstuhl steigen und ihn drei Stockwerke höher wieder verlassen können. Um von ihr eingelassen zu werden, hatten wir
     ein bestimmtes Klopfzeichen verabredet.
    Karin arbeitete am Empfang eines Hotels. Ich hatte sie angesprochen, als sie an einem Samstagvormittag vor den Wagenunterstellplätzen
     einen Eimer Wasser über ihren grauen Škoda schüttete: «Wie, haben Sie etwa keinen Mann, der Ihr Auto wäscht?», fragte ich.
     «Er ist bei der Volksarmee», erwiderte sie. Und fügte hinzu: «Wir sind schon viel zu lange getrennt.» Mehr brauchte sie nicht
     zu sagen, wo sie wohnte, das wusste ich sowieso.
    Lempert klopfte mit den Fingern auf den Tisch, was mich daran erinnerte, dass ich ihm eine Antwort schuldig geblieben war.
     «Die aus Wilhelmshorst mag ich, aber sie ist keine Ehefrau für mich», sagte ich. Da ich mich ja prinzipiell nicht binden wollte,
     traf diese Feststellung auf jede Frau zu. Aber das konnte ich Lempert natürlich nicht sagen.
    Er ließ nicht locker. «Überleg mal, die sieht nicht nur hervorragend aus, sie hat auch eine unwahrscheinlich gute Kaderakte.»
     Man hatte sich also schon darüber informiert, dass sie keine Westverwandtschaft hatte – da wussten sie mehr als ich.
    In diesem Moment fiel mir auf, dass ich bei meinen Frauenbekanntschaften noch vorsichtiger sein musste. Vorletztes Wochenende
     hatte ich mit Karin heimlich eine Tour nach Prag unternommen. Wir bildeten ein ideales modernes Paar, sie verheiratet, ich
     geschieden. Im Grunde war schon das in den Augen des Staates gefährlich, eine Konstellation mit möglichem Fluchtausgang. |125| Kurz vor der Grenze fuhr sie mit ihrem Škoda rechts an den Straßenrand und hielt mir reichlich Westgeld entgegen.
    «Wo hast du das her?», fragte ich erschrocken.
    «Hast du vergessen, ich arbeite in einem Messehotel? Da fällt das eine oder andere Trinkgeld ab. Und in Prag ist der Umtauschkurs
     günstig.»
    «Aber gleich so viel?» Es waren

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