Meine zwei Halbzeiten
verheiratet, der rechten Hand von Franz Rydz. Dieser war als Vizepräsident des DTSB so etwas wie der Schalck-Golodkowski
des DD R-Sports . In seine Verantwortung fiel der wirtschaftliche Bereich des Verbands, beispielsweise sämtliche Geschäfte mit adidas – unsere
Nationalmannschaften wurden ausschließlich von dieser Firma eingekleidet. Rydz wie auch Eddies Frau kümmerten sich darüber
hinaus um die Devisenbeschaffung, da westliche Sportkleidung und -geräte einiges kosteten. |113| An der Bedeutung von Rydz’ Position lässt sich geradezu beispielhaft die sehr enge Verbindung zwischen Sport, Sportführung
und Regierungsebene erkennen. Die benötigten Devisen kamen größtenteils vom Staat.
Gerüchten zufolge hatten Rydz und Doris Basel ein Verhältnis. Als ich davon erfuhr, bekam ich gleichsam einen dicken Hals.
Denn die beiden durften zusammen in den Westen reisen – obwohl alle internen Regeln das eigentlich ausschlossen. Jedem schien
diese Beziehung bekannt zu sein, dennoch wurde nichts unternommen. Bei mir wurden stattdessen sofort Konsequenzen gezogen.
Was Eddie betraf, so wussten alle, dass Fußball und Alkohol für ihn eine Einheit bildeten. Bei Länderspielen oder bei Trainingscamps
teilten wir meist ein Zimmer, um die Ausgaben so gering wie möglich zu halten. Als wir das erste Mal gemeinsam übernachteten,
in einem Trainingslager, saß ich abends noch mit einigen Mannschaftsmitarbeitern beim Kartenspiel zusammen. Einer von ihnen
sagte auf einmal zu mir: «Der Eddie ist doch bei dir auf dem Zimmer?»
«Ja», erwiderte ich, während ich den nächsten Stich gab.
«Dann schau aber, dass du zum Schlafen kommst. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass der schnarcht, vor allen Dingen, wenn
er abends getrunken hat. Und weil er eigentlich immer trinkt, kannst du dich auf etwas gefasst machen.»
Ich verabschiedete mich relativ frühzeitig von meinen Mitspielern, dachte, es wäre am besten, wenn ich vor Eddie einschlafe,
dann würde ich von alldem nichts mitbekommen.
Natürlich klappte mein Vorhaben nicht. Wenn man sich etwas zu fest vornimmt, kann es gar nicht gelingen. Als Eddie nach einer
Weile ins Zimmer trat, lag ich immer noch wach in meinem Bett, stellte mich aber schlafend.
Eddie schaltete seine Nachttischlampe an. Blinzelnd erkannte ich, dass er eine Flasche in der Hand hielt und sich noch einen
Schluck genehmigte. Vermutlich Wodka. Fünf Minuten später lag |114| er lang ausgestreckt auf seinem Bett – und fing sofort zu schnarchen an. So laut, dass es kaum auszuhalten war.
«Eddie!», rief ich.
Augenblicklich war Ruhe. Doch nur für ein paar Sekunden, danach fing es wieder an. Ich erinnerte mich an einen Tipp, den ich
von einem Spieler gehört hatte: «Wenn einer zu laut schnarcht, dann musst du pfeifen.» Also pfiff ich. Was geschah? Eddie
stand auf, ging ans Fenster, machte es zu, nahm einen Schluck aus der Flasche und legte sich wieder hin. Eine Minute Stille.
Aber sobald er in seine Träume hinüberglitt, fing sein Nachtkonzert wieder an. Schließlich schlief ich vor lauter Erschöpfung
ein.
Am nächsten Morgen setzte sich mein Co-Trainer zu mir an den Frühstückstisch. Er wirkte ausgeschlafen, ich dagegen fühlte
mich völlig übernächtigt. Kurz darauf kam der Direktor der Sportanlage an unseren Tisch und fragte: «Wie gefällt es euch denn
hier? Sind die Trainingsplätze in Ordnung?»
Bevor ich eine Antwort geben konnte, bemerkte Eddie trocken: «Natur pur, Natur pur.»
«Wie soll ich das verstehen?», hakte der Direktor nach.
«Ich musste mitten in der Nacht aufstehen und das Fenster schließen. Die ganze Nacht über rief nämlich ein Käuzchen.»
«Ein Käuzchen?», fragte der Direktor. Kopfschüttelnd verließ er unseren Tisch.
Ich habe Eddie die Wahrheit nie gebeichtet. Auch über Hagen verloren wir kein Wort, überhaupt thematisierten wir keine sportpolitischen
Angelegenheiten. Auch ihm blieben Westreisen allerdings manchmal verwehrt. Da er und seine Frau Reisekader für das kapitalistische
Ausland waren, kam es vor, dass sie zur gleichen Zeit dorthin fahren sollten. In diesem Fall durfte nur der reisen, der sportpolitisch
wichtiger war – stets war es seine Frau.
Seit dem «Vorfall» wurde ich mehr und mehr zu einem Ostexperten, weil ich meine Mannschaft nur noch in sozialistische Länder |115| begleiten durfte. Beruflich sollte mir keiner was nachsagen können. Ich wollte so gut sein, dass die Funktionäre irgendwann
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