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Meine zwei Halbzeiten

Titel: Meine zwei Halbzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Berger
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im fünften
     Stock hoch, dort stand Ron am Fenster und schaute mir nach, wie jedes Mal, wenn ich ihn nach einem Ausflug nach Hause gebracht
     hatte. Um ihn länger sehen zu können, hielt ich noch kurz an, bevor ich abbiegen musste, blickte mich um und winkte ihm zu.
     Harriet sagte mir später, ein Gefühl der Vorahnung hätte sie beschlichen, als sie dies bemerkte. Nie zuvor hätte ich mich
     so verhalten. Nachdem ich das Auto wieder gestartet hatte, sagte ich mir: «Da musst du jetzt durch. Wenn du jetzt anfängst,
     über alles nachzudenken, wirst du die Flucht nie wagen.»
    Zurück in meiner Wohnung in der Nordstraße, zog ich mich um. Ich hatte mich mit Sabine verabredet, meiner damaligen Freundin,
     um 20   Uhr wollte ich sie abholen. Ich fuhr nicht die übliche Strecke, sondern einen Umweg. Ein Wagen schien mich zu |143| verfolgen. Hinter der Berliner Brücke, nördlich des Hauptbahnhofs, stoppte ich, stieg aus dem Auto aus und stellte mich auf
     die Brücke. Krampfhaft versuchte ich, ein gewisses Interesse an den unten vorbeifahrenden Zügen vorzutäuschen. Kurz danach
     erblickte ich einen Wartburg, den ich bemerkt hatte, als ich vor dem Kleidungswechsel meinen Trabi in der Nordstraße geparkt
     hatte. Er fuhr vorbei und entschwand in der Dunkelheit.
    Ich schlug Sabine vor, im Hotel Am Ring zu essen, das von uns nur «Deutschi» genannt wurde, weil es einst unter dem Namen
     «Hotel Deutschland» geführt worden war. Das Restaurant war kaum besetzt, an einem der vielen Tische entdeckte ich Andreas
     «Andy» Herrig, einen meiner ältesten Freunde, mit seiner Freundin und zwei anderen Bekannten.
    «Warum setzt ihr euch nicht zu uns?», rief Andy, der eine Mühle in Leipzig-Engelsdorf besaß.
    «Ich will mit meiner Freundin allein sein», antwortete ich, was Andy sicher verwunderte, weil ich selten eine gesellige Runde
     ausließ. Doch an diesem Abend konnte ich eine allgemeine Fröhlichkeit nicht ertragen. Außerdem wollte ich Sabine nicht in
     Schwierigkeiten bringen. Man würde sie unweigerlich nach meiner Flucht aufsuchen, um sie zu befragen, und je mehr sie von
     meinen Freunden wusste, desto hartnäckiger würde man an ihr dranbleiben.
    Am Fenster waren noch einige Tische frei. Auf einen von ihnen steuerte ich zu, nachdem ich einen Kellner gefragt hatte, ob
     wir dort Platz nehmen könnten. Er hatte nichts einzuwenden. Kurze Zeit später betraten zwei Männer das Restaurant und setzten
     sich direkt neben uns, obwohl überall im Raum noch Tische frei waren. Sofort ahnte ich, dass ich bespitzelt wurde. Woher wusste
     man, dass ich mich in diesem Lokal befand? Der Wartburg war doch an mir vorbeigefahren. Hatte man an meinem Trabi vielleicht
     einen Sender angebracht?
    Egal, ich wollte all das um mich herum vergessen und mich auf |144| Sabine konzentrieren. Wie immer hatten wir uns viel zu erzählen. Plötzlich stutzte ich, denn aus den Augenwinkeln sah ich
     Günther Schlegel den Speiseraum betreten. Der einstige Fußballer und Trainer wollte sich zu uns setzen, aber das gefiel mir
     nicht. Ich war irritiert, ihn im «Deutschi» anzutreffen. So oft besuchte man solche Lokalitäten nicht, dafür waren sie zu
     teuer. War das Zufall? Schlegel durfte nicht mehr die Jugendmannschaft von Lok Leipzig trainieren, weil er, so hatte ich es
     gehört, bei einer Trainerfortbildung eine falsche Antwort gegeben hatte. Als er nach seinem Vorbild gefragt wurde, soll er
     nicht einen Coach aus der DDR oder einem sozialistischen Bruderland genannt haben, sondern Hennes Weisweiler. Diese Geschichte
     gab er auch jetzt zum Besten, und nachdem er noch Weiteres gesagt hatte, was mich in Schwierigkeiten hätte bringen können
     – am Nachbartisch saßen immer noch meine aufmerksamen Zuhörer   –, wurde ich deutlich: «Ich habe mit meiner Freundin etwas zu besprechen. Wir wollen allein sein.»
    «Klar», sagte Schlegel, «ich warte sowieso auf Freunde.»
    Danach suchte er sich einen Tisch aus, der weit von uns entfernt war.
    Endlich konnten Sabine und ich unser Gespräch in Ruhe zu Ende führen. Nach dem Essen fuhren wir zu meiner Wohnung – es sollte
     die letzte Nacht mit ihr sein.
    Am nächsten Morgen liefen wir gemeinsam zum Hauptbahnhof. Als Sabine in die Straßenbahn Richtung Stötteritz einstieg, rief
     sie mir noch zu: «Ich freue mich, wenn wir uns am Donnerstag wieder treffen.» Ich nickte nur, während sich die Türen schlossen.
     Lange schaute ich der in der Ferne verschwindenden Straßenbahn hinterher.
    Mein

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