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Meine zwei Halbzeiten

Titel: Meine zwei Halbzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Berger
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Nachricht nicht Vorbereitungen für eine Flucht traf.
    Das würde sich jetzt herausstellen. Ich musste mir etwas ausdenken, was mir einen möglichst eindeutigen Beweis für die Observierung
     lieferte. Nadja fiel mir ein. Nadja war ein Schrankwandmodell, ein ostdeutsches Fabrikat, das ich mir für meine Wohnung in
     der Nordstraße gekauft hatte. In dieses Möbelteil war eine Blende integriert, hinter der sich – übertrieben formuliert – eine
     Art Safe befand, in dem ich die «Geheimnisträger»-Unterlagen aufbewahrte. Dieser «Safe» wurde mit einem einfachen Schlüssel
     abgeschlossen, den ich derart versteckte, dass ihn eigentlich niemand finden konnte. Sollte ich nun während meiner Abwesenheit
     kontrolliert werden, so war davon auszugehen, dass die Stasi einen Zweitschlüssel für die Wohnung wie auch für das «Geheimfach»
     besaß. Darüber konnte es bei einem Großbetrieb wie dem MfS keinen Zweifel geben. Um also einen gezielten Hinweis für eine
     Wohnungsdurchsuchung zu bekommen, musste ich Nadjas «Safe» auf irgendeine Weise präparieren. Schließlich besorgte ich mir
     einen sehr dünnen Faden, der eigentlich nur unter der Lupe erkennbar war. Diesen klemmte ich mit einer Pinzette so in die
     Safetür, dass er runterfallen musste, wenn man sie öffnete. In diesem Moment dachte ich: Jetzt haben die dich so weit, wie
     sie dich brauchen. Du fängst an, Verfolgungswahn zu entwickeln.
    Als ich am Donnerstag von der Ostreise in meinen Plattenbau zurückkehrte, öffnete meine Nachbarin die Tür, bevor ich meinen
     Schlüssel in der Wohnungstür umgedreht hatte.
    «Wie war es denn in Rumänien, Herr Berger? Ich habe in der Zeitung gelesen, dass Sie das Spiel verloren haben.» Meine Nachbarin
     gehörte zu den Frauen, die alles wussten. In diesem Fall |134| störte es mich einmal nicht, denn sie fuhr fort mit einer Information, die ich sehr interessant fand: «Aber Sie hätten mir
     ruhig sagen können, dass Sie während Ihrer Abwesenheit Besuch bekommen. Ich hätte doch den Schlüssel an mich nehmen können.»
    «Wieso Schlüssel?», fragte ich irritiert.
    «Na ja, es mussten noch andere Bekannte von Ihnen erscheinen, um den Leuten aufzuschließen.»
    Jetzt wurde mir einiges klar: Da alles so geheim wie möglich bleiben sollte, hatte man nicht einmal den Hausmeister geholt,
     um die Tür zu öffnen. Über ihn hatte die Staatssicherheit sich Gedanken gemacht, nicht aber über meine neugierige Nachbarin.
    Nachdem ich das gehört hatte, wusste ich, wie mein Nadja-Test ausgefallen war. Und tatsächlich: Der Faden befand sich nicht
     mehr dort, wo ich ihn angebracht hatte. Doch was bedeutete das? Ich besaß nichts, was mich hätte belasten können, und in meiner
     Stasiakte konnte ich nachlesen, «dass Jörg Berger vor seiner Abreise nach Jugoslawien keine Vorbereitungshandlungen unternahm».
     Erst später verstand ich in vollem Umfang, was mit dieser Hausdurchsuchung bezweckt werden sollte. Man hatte alles festgehalten,
     was sich in meiner Wohnung befand, angefangen vom Fernseher bis hin zu Dokumenten und Fotoalben. Mein Kontostand wurde registriert,
     sonstige Wertsachen listete man einzeln auf, ebenso, was man sonst noch bei mir im Wohnzimmer fand: «1   Diplomarbeit in Klemmmappe», «19   Blatt Scheckvordrucke Konto-Nr.   5602   -   45   -   14150», «2 unfrankierte Briefumschläge mit Inhalt». In meiner Beurteilung hieß es zu dieser Zeit: «Sportfreund Berger führt
     nach unseren Informationen einen moralisch sauberen Lebenswandel. Er   … hat nach eigenen Aussagen keinerlei Kontakte zu Bürgern der BRD und anderen kapitalistischen Staaten. Wir sind der Auffassung,
     dass Sportfreund Berger als Reisekader des DFV der DDR bestätigt werden sollte.»
    Einen Tag vor meinem Abflug nach Jugoslawien, am Sonntag, sollten Stasi-Mitarbeiter alles ein zweites Mal kontrollieren.
     
    |136| Hätte ich vor meiner Flucht das teure Radio meinem Freund Rolf gegeben, mehr Geld als sonst abgehoben oder wären wichtige
     Dokumente nicht mehr vorhanden gewesen – all dies hätte man als verdächtige Indizien gewertet.
    Nach meiner Flucht wurden sämtliche Räume meiner Wohnung fotografisch dokumentiert, insbesondere Nadja im geschlossenen wie
     im geöffneten Zustand, damit man erkennen konnte, wie viele Gegenstände und Papiere sich noch in den Fächern befanden. Anschließend
     wurde die Wohnungstür im Beisein eines Staatsanwalts versiegelt.
    Ich aber ahnte nach der Nadja-Untersuchung, dass ich nach

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