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Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Sachen zu packen, faltete die Hemden, die sie aufs Bett legte, und suchte nach einem Koffer. Sie wurde ihn nicht los. Es beruhigte mich. Die Gefahr, dass sie etwas von Bedeutung verschwinden ließ, bestand kaum. Sie konnte es sich in seiner Gegenwart nicht einmal leisten, gezielt nach etwas zu suchen. Ich brachte Computer und Monitor hinunter zum Wagen. Als ich zurückkam, war Feibert immer noch damit beschäftigt, Hemden zu falten. Einen Koffer hatte er nicht gefunden. Greta nahm den Wäschestapel auf den Arm. Wir gingen zur Treppe. Sie stockte, als wir die Stufe passierten, auf der Jan in der Nacht gekniet hatte. Für einen Moment entstand der Eindruck, als wolle sie sich hinsetzen und aufgeben. Dann strafften sich ihre Schultern, und als wir die Diele erreichten, als sie die beiden verschwitzten und lustlosen Männer im Wohnzimmer sah, gewann sie langsam ihre mir bestens vertraute Form zurück. Sie hatten etwas Interessantes in einer Handtasche gefunden, einen kleinen Terminkalender. Es wimmelte darin von Eintragungen. Im Adressteil gab es an die sechzig Vornamen mit einer Telefonnummer dahinter. Knapp die Hälfte gehörte zu Männern. Hinzu kamen fünf bis sechs Termine pro Woche. In der Regel nachmittags. Alle nur als Kürzel notiert. Es gab auch Eintragungen über Mittag.
    «Paps»
    mit einer Uhrzeit, ein paar Zahlen oder Buchstaben dahinter. PL und KP. Ich sah es flüchtig, während Feibert den Kalender durchblätterte. Er bat Greta, ihm, wenn möglich, die Kürzel zu erklären. Bei den meisten war es kein Problem. FS gleich Fitnessstudio. Laut Kalender war Tess dort nur mittwochs gewesen. Uns hatte sie immer von drei Besuchen pro Woche erzählt, Dienstag, Mittwoch und Freitag. S gleich Sonnenbank fiel regelmäßig auf den Donnerstag, K waren Termine bei der Kosmetikerin.
    «Mit Paps, meinte Feibert, «dürfte der Vater von Frau Tinner gemeint sein.»

    «Nein, widersprach Greta.
    «Tess hat ihren Vater immer nur Vati genannt. Und sie hat sich garantiert nicht in ihren Kalender geschrieben, wann sie ihre Eltern besuchte. Da war sie in den letzten Wochen fast täglich, meist am Vormittag, um sich mit ihrer kleinen Tochter zu beschäftigen.»
    Dass Tess ihren Vater darüber hinaus noch über Mittag in der Stadt getroffen hatte, war auszuschließen. Herr Damner wurde im Herbst zweiundsiebzig. Ein eigenes Auto fuhr er längst nicht mehr, und bei den Temperaturen die Straßenbahn zu benutzen wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Wozu auch, wenn Tess jeden Tag kam?
    «Ist die Familie Damner schon verständigt?, erkundigte ich mich. Das war sie nicht. Feibert und Karreis wollten am Nachmittag zu ihnen, aber nur, um die üblichen Fragen zu stellen. Offenbar ging Feibert davon aus, wir hätten die Familie bereits informiert. Daran hatte keiner von uns gedacht. Es jetzt nachzuholen, konnte man Greta nicht zumuten. Sie waren so nette, alte Leute, naiv und gutgläubig. Nicht sonderlich religiös, nur an Tess hatten sie immer geglaubt. Joachim mühte sich ab, mit dem elterlichen Geschäft die gesamte Familie zu ernähren. Er schuftete sich halb tot, sah mit seinen siebenundvierzig Jahren aus wie ein alter Mann. Tess war immer die gewesen, die es besser haben sollte. Und Greta war die, die doch sicher auch ein Eis mochte, für die Vater Damner die allerletzte Mark aus der Hosentasche fischte. Niemand konnte von ihr verlangen, dass sie den Damners sagte:
    «Tess ist tot.»

    «Ich übernehme das», sagte ich und drängte zum Aufbruch. Feibert hielt uns zurück. Wenn mit dieser Bezeichnung nicht Herr Damner gemeint sein konnte, wer war Paps dann? Im Adressteil des Kalenders tauchte er nicht auf. Greta war zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, sonst hätte sie eher darauf kommen müssen. Es hatte immerhin zwei Väter in Tess’ Leben gegeben. Ihr eigener und Mandys Vater. Der Mann ohne Namen! Der einflussreiche Mann ohne Skrupel, der angeblich so viel zu verlieren hatte und auch vor Gewalttätigkeit nicht zurückschreckte. Die Verletzungen, die er Tess vor zweieinhalb Jahren zugefügt hatte, als sie sich mit ihm im Parkhaus der Ladenstadt traf, hatte Greta mit eigenen Augen gesehen. PL! Parkhaus der Ladenstadt! Greta geriet mehrfach ins Stocken, als sie Feibert ihren Verdacht erklärte. Es kam für sie selbst überraschend, schätze ich. Aber die Verletzungen an den Brüsten, die Tess sich angeblich im Fitnessstudio zugezogen hatte! Damals waren es auch die Brüste gewesen. Der Anruf um halb vier, die Null im Telefondisplay.

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