Meines Bruders Moerderin
Uhr nachts etwas anderes zu tun haben könnte.
»Acosta - Meinhard.«
»Vergessen Sie das erst mal. Das hat Zeit. Halten Sie sich in Bereitschaft. Verstanden?«
»Nein. Ich verstehe nichts. Im Gegenteil, ich wollte eigentlich Urlaub nehmen ....«
»Sie sollen in Ihrer dämlichen Wohnung bleiben und auf meinen nächsten Anruf warten. Ist das klar?!«
»Si, Sir. Señor. Don Jaime. Ich hab's verstanden. Um was geht's denn eigentlich? Oder ist das top secret?«
»Brandstiftung und Mord. Oder Doppelmord, hab ich nicht so genau mitbekommen. Robert Reimann. Der Playboy, der Millionär.«
»Und wer ist tot?«
»Ebender. Nun schalten Sie doch mal schneller! Sie sind doch sonst nicht so blöd.«
»Danke. Und was haben wir damit zu tun?«
» Chiquilla , Mädelchen, denken Sie doch mal nach! Ein stinkreicher deutscher Playboy wird ermordet. Hier bei uns in Barcelona. Und man findet eine Champagnerflasche, zwei Gläser, Lippenstift und Fingerabdrücke.«
»Und?«
»Aber nicht die Señorita, die zu diesem Arrangement gehört.«
»Und?«
»Und alle Medien sind aufs Höchste alarmiert. International. Schalten Sie mal Ihren Fernseher ein. Sie haben doch einen, oder?«
»Und?«
»Und in spätestens einer Stunde haben Sie die Lady, die zu den Fingerabdrücken gehört. Und wenn sie auch nur einigermaßen dem üblichen Geschmack von Reimann entspricht, dann ist sie jung, blond und verdammt sexy. Die Medien werden schmatzen vor Wonne. Und da wird sehr bald schon jemand einen sehr sehr guten Strafverteidiger brauchen. Den Besten. Ich habe schon mit Ignacio Sanchez-García gesprochen, dem comandante der brigada criminal . Wir kennen uns seit vielen Jahren, früher haben wir zusammen Tennis gespielt. Heute Golf. Man wird älter.« Ein bellendes Lachen, das in Husten mündete. »Und Sie, meine Liebe, Sie bleiben abrufbereit!«
»Aber ich ...«
»Keine Widerrede. Ich zähle auf Sie«, Drohung: »Und eins noch. Das könnte für Sie die große Chance sein.« Oder Sie können gleich mit Ihren afrikanischen Freunden die Klos am Bahnhof putzen . Das stand ungesagt dahinter.
Dagmar stammelte etwas Verbindliches. Sie kannte Fusté. Und seine Sprüche. Aber so weit war er noch nie gegangen. Da war offenbar ein Mord geschehen, ein Mensch war getötet worden. Und Don Jaime saß schon in den Startlöchern, um die Publicity für sich zu nutzen. Egal, wer der Mörder war.
Dagmar legte den Hörer auf.
Und schämte sich, weil sie so etwas wie Glück empfand. Stolz, Zufriedenheit. Don Jaime, der großmächtige Superstaranwalt hatte ausgerechnet sie angerufen. In seiner Kanzlei arbeiteten zwölf Anwälte. Er akzeptierte nur die Besten der Besten. Dagmar war die einzige Frau und als Einzige nicht Spanierin.
So hatte sie sich ihm vor einem Jahr verkauft. »Wir sind jetzt Europa. Sie brauchen vielleicht schon bald eine Deutsche.« Ihre Zeugnisse waren brillant, aber Don Jaime hatte kaum hingeschaut. Er starrte auf ihren Busen. Okay, zugegeben, auf ihren üppigen Busen, okay, noch mal zugegeben, auf ihren kaum verhüllten üppigen Busen. Dagmar war vierunddreißig Jahre alt und verzweifelt. Sie brauchte das Geld. Und sie wusste, dass sie gut war.
Er nahm sie. Sie bekam eine winzige Besenkammer ohne Tageslicht als Büro, aber er zahlte die Miete, die Unkosten für Telefon, Fax, Computer und alle Mitarbeiter, und sie gab ihm dafür einen gewissen Prozentsatz ihres Honorars ab, je nachdem, ob sie den Klienten selbst aufgetrieben, oder er ihn ihr vermittelt hatte. Dazu gab es einen ziemlich komplizierten Vertrag.
Vielleicht wäre alles einfacher gewesen, wenn sie auch mit ihm geschlafen hätte.
So schrecklich sah er auch wieder nicht aus. Anfang sechzig, nicht sehr groß, aber drahtig, kaum noch Haare, die letzten zu einer kurzen Bürste rasiert. Nein. Unmöglich. Dagmar hätte jede Wette angenommen, dass er Unterhosen mit Giraffenmuster trug.
Dagmar hasste ihre Abhängigkeit von Don Jaime. Sie hasste es, wenn er wieder einen Fall souverän am Gesetz vorbei löste. Sie hasste es, wenn sie von ihm lernte, ihn bewunderte, ihm nach dem Maul redete. Und wenn sie andererseits immer im falschen Moment die Schnauze zu weit aufriss. Aber. Sie hatte keine Reserven, keinen Hintergrund. Nur das eine Ziel. Ihre Kinder wiederzubekommen. Sie musste das Spiel mitspielen.
Dagmar lehnte sich zurück. Emotionen wegdrängen. Überlegen, nachdenken, antizipieren. Wenn Fusté ausgerechnet sie haben wollte, dann eben, weil sie als Einzige in der Kanzlei sowohl
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