Meines Bruders Moerderin
Frauen und Sex auch nichts am Hut, es sei denn in einer abgefahrenen Spielart. Janet hätte zu gerne gewusst, ob er unter seinem Brokeranzug Strapse oder Latex trug.
»Nun, fragen Sie!« Reimann lächelte und nahm der Kellnerin die beiden Drinks ab. Hob sein Glas. Gott, die Deutschen mussten immer anstoßen. Janet machte mit. Klock. Whiskygläser waren nicht sehr musikalisch. »Was wollen Sie wissen?«
»Wo haben Sie Ihre drei Bodyguards jetzt postiert?«
» Gut beobachtet«, er lachte. »Im Hintergrund. Ich habe sie immer bei mir. In meinem Job ist man vielen Gefahren ausgesetzt. Siehe mein armer Bruder.«
»Tja, Ihr armer Bruder. Er war wirklich arm, oder? Im Gegensatz zu allen offiziellen Analysen und Berichten liegt der Konzern bös am Boden. Der ganze Strauß. Reimann AG, REGA Bau, Swiss RR, TRANSEUROP Zugmaschinen, KFRR Schaltungen etc. pp. Internationale Flaute, schlechtes Management, groteske Überschuldung. Die internen Hintergründe sprechen eine völlig andere Sprache als die Aktienkurse. Wie haben Sie das hinbekommen? Oder war das auch Ihr armer Bruder?«
Paul Reimann stellte vorsichtig sein Glas ab und musterte sie. Bewegungslos. Seine wimperlosen Augen zwinkerten nicht. Er hob das Glas wieder. Trank. Lächelte schief. »Sie haben Ihre Hausaufgaben wirklich gut gemacht. Donnerwetter, Kompliment. Darf ich fragen wie?«
»Internet. Ich komme in alle Bibliotheken und Archive dieser Welt. Manchmal kostet es eine Extragebühr. Was mussten Sie tun, um die Veröffentlichung dieser Fakten zu verhindern?«
»Na schön. Wenn Sie schon so viel wissen. Richtig, die Firma ist kurz vor dem K.O. Aber es gib noch jede Menge Möglichkeiten. Davon hat mein Bruder leider nichts verstanden.«
»Sie meinen das Angebot aus Japan. Er hat ausgeschlagen.«
»Ja, verdammt. Er war ein Trottel. Tut mir selber weh, dass ich das über meinen eigenen Bruder sagen muss.«
»Ihr Vater hat Ihnen damals nur ein kleines Stück vom Kuchen abgegeben. Daraus haben Sie aber in wenigen Jahren ein gewaltiges und stabiles Unternehmen mit Niederlassungen in der ganzen Welt gemacht. Ihr Bruder Robert bekam den ganzen Rest des Kuchens und hat ihn einfach so verputzt. Oder täuscht der Eindruck?«
»Wir waren immer schon sehr verschieden. Robert und ich.«
»Und Ihr Vater zog Robert vor?«
»Er hat den Tod seiner ersten Frau nie überwunden. Meine Mutter hat er nie ...« Er stockte kurz. »Das tut doch alles nichts zur Sache. Robert und ich standen uns vielleicht nicht sehr nahe, aber er war mein Bruder. Verstehen Sie das?! Er war mein Bruder!«
»Er hat langfristig Gelder entzogen, hat über Jahre hohe Summen mit unübersichtlichen Spekulationen und Beteiligungen verpulvert, hat damit schlussendlich den Konzern in den Sand gesetzt, und dann wollte er sich abseilen. Richtig?«
»Ja. Nein. Natürlich nicht. Woher haben Sie diese ganzen Insiderinformationen. Die können Sie doch unmöglich im Internet gefunden haben!«
»Doch. Mit den richtigen Querverweisen geht das.« Janet steckte sich eine Zigarette an, Paul gab ihr kein Feuer. Sie lächelte ihn durch den Rauch an. »Und mit einem Quentchen Sachkenntnis natürlich. Unter den vielen Schulen, in die meine verzweifelten Eltern mich gesteckt haben, war auch ein als Kaderschmiede für Führungskräfte berüchtigtes Schweizer Witschaftscollege.«
»Scheiße, verdammt!!«
»Treffend formuliert. Bleiben zwei Fragen: Erstens, war Ihr Bruder wirklich so dumm und arm? Oder finden sich die Gelder noch irgendwo? Und zweitens, wie konnten Sie diese Informationen so lange unter dem Teppich halten? Eine kleine dpa-Meldung, und der Dax würde knallen.«
Paul Reimann schwieg. Sein Blick glitt kurz über den Platz. Seine Männer waren strategisch gut verteilt und versuchten, sich unsichtbar zu machen. Vergeblich. Zwischen den ganz normalen Bewohnern des Viertels und den Touristen aus aller Herren Länder wirkten sie so echt wie die Blues Brothers beim Casting für einen bayerischen Bergsteigerfilm.
Janet überlegte, wie weit sie sich vorwagen konnte, stellte fest, dass sie schon viel zu weit aus dem Fenster hing und daher auch gleich springen konnte. »Ihr Bruder hatte einen gewissen Ruf als Playboy und Lebemann. Unterstellen wir mal, rein hypothetisch natürlich, dass er weder arm noch dumm war und dass er seinen Abgang schon lange geplant und vorbereitet hat. Irgendwo auf dieser Erde könnte doch ein millionenschweres Guthaben samt nagelneuer Identität auf ihn warten. Was meinen Sie?«
»Er
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