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Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Titel: Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wibke Bruhns
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Illies, das ist eine Demonstration und die Welt seither wieder in Ordnung. Beglückt schreibt HG: »Else in rot mit schwarzem Pelz. Wunderschön!«
    Liebe macht wirklich blind. Else war alles mögliche, aber ich denke nicht, daß sie durch Schönheit auffiel. Sie war für eine Frau ziemlich groß, etwa von gleicher Größe wie HG, hatte eine stämmige Figur, allerdings wunderbare Beine, die sie bis zu ihrem Tod zu Recht gern zeigte. Ich erinnere mich besonders an ihre schönen Hände, lange, bewegliche, schlanke Finger, an ihre makellos helle Haut und an ihre ebenmäßigen Zähne. Sie hatte flusige, spaniel-farbene Haare, die sie, bis endlich der Bubikopf in Mode kam, in etwas Knotigem am Hinterkopf verstaute. Else hat zeit ihres Lebens Hüte getragen und dieses »Muß« einer Lady wegen ihrer immer zerfledderten Frisur als segensreich empfunden. Ihr Gesicht war in jungen Jahren beeinträchtigt durch ihre starke Kurzsichtigkeit und die Tatsache, daß sie »offiziell« keine Brille trug. Dadurch hat sie auf Fotos diesen verschwommenen Blick – wir vier Töchter, alle blind wie die Maulwürfe, sehen auf unseren Jungmädchenbildern genauso aus. So ein Quatsch, aber Brille für junge Damen war verpönt.
    Else war überhaupt nicht mondän – eher Landedelfrau als Fritzi Massary –, und bis auf gelegentlichen Lippenstift war sie immer ungeschminkt. Nur ihre schön geformten Nägel hat sie, später jedenfalls, knallrot lackiert. Der erste Blick kann es also nicht gewesen sein, der HG und andere so faszinierte. Doch der spielte keine Rolle angesichts ihrer Spontaneität, ihrer überraschenden Frechheit gekoppelt mit fehlerfreien Manieren, ihres Humors und ihrer Selbstsicherheit. Bescheiden war sie nicht. Sie bewegte sich auf jedem Parkett, als sei sie dort zu Hause, und HG notiert immer wieder glücklich in sein Tagebuch, wie der oder jener »staunt«, dem er sie als seine Braut vorstellt. Und das tut er – hemmungslos! Er ist wirklich tollkühn, denn das Ganze findet statt hinter dem Rücken der beiden Elternpaare. Keiner von denen kennt das zukünftige Schwiegerkind, sie sind nicht eingeweiht, geschweige denn haben sie zugestimmt. Kurt hat vermutlich geglaubt, seine häufig so erfolgreiche Argumentations-Taktik habe die Angelegenheit aus der Welt geräumt und der letztendlich stets folgsame Sohn sei auch diesmal eingeknickt. Er will HG sofort nach England schicken, als er von dessen Eigenmächtigkeit erfährt – schade, daß dieser Brief nicht mehr vorhanden ist.
    Kurt macht mit dem Junior, was sein Vater Gustav einst mit ihm gemacht hat – erst mal soll er weg, der junge Mann. Hat Kurt vergessen, wie es ihm und Gertrud ergangen ist in den vier kargen Jahren heimlicher Verlobungszeit? Außerdem kennt er Else doch gar nicht, kann er sie nicht wenigstens mal zum Tee treffen? Nein. In Halberstadt wird gemauert. Wenn HG meint, er könne vollendete Tatsachen schaffen über Kurts Kopf hinweg, soll er sehen, wie er sein Fräulein Braut vor Ungemach bewahrt. Was Kurt nicht ahnt, ist Elses Gelassenheit in diesem Punkt, sie und HG sind ständig gemeinsam bei Leuten unterwegs. Else später: »Über meinen Ruf entschied immer ich.«
    Und dann will Kurt den Sohn auch noch nach England verbannen. Vergessen das perfide Albion, die Dumdumgeschosse, die »Großschnauzen«, denen man Zeppelin-Bomben auf die Bank of England werfen sollte? Let’s face it: Deutschland hat den Krieg verloren, und neue Beziehungen mit dem Gegner von gestern wären nicht schlecht fürs Geschäft, nicht wahr? HG will nicht nach England. HG will Else. Also fährt er erst mal nach Wismar in die Höhle des dortigen Löwen. Ostern 1921 ist das, und Siegfried muß mit. Der war da schon öfter und gibt HG mentale Schützenhilfe. HG: »Abends 7.20 über Lübeck nach Wismar, zum ersten Mal diese Strecke. Gut, daß Siegfried bei mir ist. 12 Uhr in Wismar, Else und Heinrich an der Bahn« – das ist Elses Bruder – »Angst. Sie auch.« Am nächsten Tag, Karfreitag: »Den Ravelin Horner Betrieb kennengelernt. Alchen, Frau von Zitzewitz, Frau Cruse, Heinrich, Paul usw. Kein Mensch ahnt etwas von Else und mir. Else und ich finden etwas schwer zu einander. Nachmittags in zwei Automobilen nach Heiligendamm, herrlicher Sonnentag. Mit Else und Siegfried auf der Buhne. Abends verrückte Musik gemacht.«
    Der Ravelin Horner Betrieb ähnelt dem in Halberstadt: Immerzu Leute, zwei große Familien, Dänen und Deutsche, fliegen da ein und aus, jeder bringt seine Freunde

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