Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Titel: Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Kloeble
Vom Netzwerk:
doch Brüderchen und Schwesterchen.«
    Immer weniger Luftblasen stiegen aus der Kiste auf; ich wollte sie aus dem Wasser nehmen. »Meine Eltern aber nicht.«
    Markus stellte einen Fuß darauf. »Weiß doch jeder.«
    »Du lügst.«
    Nun stand Markus breitbeinig auf der Holzkiste. »Mir wurscht, ob du’s glaubst, Klöble.«
    »Ich bin ganz normal!«, rief ich, lauter als beabsichtigt, nahm meine Klamotten und machte mich aus dem Staub.
    Die letzte aus der Holzkiste aufsteigende Luftblase sah ich nicht.
    Mit dem Öffnen der Haustür stimmten Jasfe und Josfer und Anni ein Geburtstagslied an, das sie in der Sekunde abbrachen, als sie einen halbnackten Jungen mit feuchten Wangen und geröteten Augen sahen. Ich wurde in Decken gehüllt, geküsst, gestreichelt und gefragt, was geschehen sei. Ganz von allein wurde meine Stimme immer höher und schneller, von Markus sprach sie, von Ratten und Luftblasen und Klöbles, vor allem von Klöbles.
    Meine Eltern tauschten einen besorgten Blick aus, schüttelten beide den Kopf und sagten, wie aus einem Munde: »Kinder sind grausam.«
    »Markus sagt, ihr seid Geschwister.«
    »Gewäsch«, sagte Josfer.
    Und Jasfe: »Blödes Gewäsch.«
    Danach schmeckte der Mohnkuchen so süß, fühlte sich der neue Jagdbogen in meinen Händen so glatt und stark an, verliehen die fröhlich gesungenen Lieder meinem Herzschlag einen solchen Schwung, dass ich spät am Abend zufrieden und müde ins Bett fiel und ohne einen einzigen Gedanken an Klöbles einschlief.
     
    Um ungestört zu sein, trugen Josfer und Jasfe uns gelegentlich auf, frische Milch zu holen oder Schwammerl zu suchen. Einmal schickten sie uns fort, in der Kirche zehn Ave Maria beten. Ich bat Anni, meine zehn Ave Maria für mich zu übernehmen, da ich, wie ich ihr erklärte, lieber lesen wollte. In Wahrheit fühlte ich mich in der Kirche immer beobachtet,
selbst ein Flüstern wuchs dort zu einem verräterischen Raunen an, wenn man nicht vorsichtig war, und außerdem sah ich nicht ein, dass ein Gebettext andauernd wiederholt werden musste. Gewiss langweilte das sogar Gott. Wieder zu Hause, schlich ich unbemerkt durch die Stube, hörte das angestrengte Keuchen meiner Eltern, folgte ihm und umrundete den grün gekachelten Ofen, und im selben Moment, als Jasfe und Josfer gemeinsam aufschrien, sah ich sie.
    Damit hatte ich bereits Erfahrung. Bevor sie mich bemerkten, ging ich noch mal zur Tür, öffnete sie und warf sie geräuschvoll zu.
    Als ich zurück in die Stube ging, rissen beide an ihrer Kleidung, bis alles wieder saß, wo es hingehörte.
    Jasfe räusperte sich. »Hunger?«
    Ich nickte, als wäre nichts weiter.
     
    Nachdem Anni vom Beten zurück war und man am gedeckten Tisch Platz genommen hatte, schlangen Josfer und ich das Essen in uns hinein. Jasfe nahm kaum einen Bissen zu sich. Nachdenklich musterte sie die Klinge ihres Messers. Anni unterhielt die Runde mit einer Schilderung der hübschen Mosaikfenster in der Kirche und erwähnte, ganz nebenbei, dass sie sich zum Geburtstag auch eines für ihr Zimmer wünsche.
    Nach dem letzten Happen bat Jasfe alle nach draußen. Es war dunkel, wie Irrlichter in der Nacht flackerte Kerzenschein hinter den Fenstern benachbarter Höfe. Anni setzte sich zwischen Josfer und mich auf die Holzbank. Jasfe blieb stehen. Sie küsste Anni und mich und faltete die Hände. Behutsam sprach sie ein Wort nach dem anderen. Setzte vorsichtig Sätze hintereinander. Legte Pausen ein. Damit wir ihrer kleinen Rede folgen konnten. Und uns Zeit blieb zu
verstehen. Und wir nichts Böses denken würden. Sie wollte bessere Sätze formulieren als die, mit denen sie sich ihrem eigenen Vater gestellt hatte. Perfekte Sätze. So wahr und richtig wie selten welche zuvor.
    »Echt?«, rief Anni. »Ihr auch?«
    Ich stand auf. »Geschwister?«, sagte ich. »Blödes Gewäsch!«
    Jasfe nickte. »Ich weiß.« Ihr Kinn zitterte. »Meine zwei hübschen, gesunden Kinder.« Sie wollte mich umarmen. Ich stieß sie weg und sie fiel. Josfer packte mich am Arm und ich riss mich los, prallte gegen die Rückenlehne der Holzbank, die Haut an meinem Ellbogen platzte auf und ich lief auf mein Zimmer, schloss mich ein.
    Erst in der Nacht, als im Haus Ruhe eingekehrt war, holte ich das letzte Stück Mohnkuchen aus der Küche. Auf dem Rückweg horchte ich an der Schlafzimmertür meiner Eltern. Das Rascheln ihrer Bettdecken, amüsiertes Glucksen, Flüstern, hastiges, stockendes Atmen   – die Geräusche drangen durch das Holz und fütterten meine

Weitere Kostenlose Bücher