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Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Titel: Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Kloeble
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Zeit nicht an, abgesehen davon, dass sie ihr silbergraues Haar nun frei und schulterlang trug. Mit den Händen nahm sie eine grünliche Nudel nach der anderen aus dem Kochtopf in ihrem Schoß, steckte sich deren Ende in den Mund und sog sie durch die Lippen ein.
    »Probieren?«, fragte sie. Albert lehnte ab. Fred blickte zu Boden und seine Nüstern blähten sich, verlässliche Anzeichen für ein Ja. Klondi reichte ihm eine Handvoll Nudeln, die von ihrer Hand baumelten wie Regenwürmer, und er ahmte ihre Saugtechnik nach.
    »Das ist wie bei Susi und Strolch ohne Hunde«, sagte er.
    »Selbstgepflückter Bärlauch. Sicher nicht?«, fragte Klondi und hielt Albert, der wachsenden Hunger verspürte, den Topf hin.
    »Bin nicht hungrig.«
    Fred und Klondi schmatzten zufrieden. Was Albert etwa anderthalb Minuten lang aushielt. Dann sagte er: »Wir haben einen Hänselbrösel gefunden«, und Klondi hörte auf zu essenund sah ihn an. Albert deutete auf die Lilie an Freds Trachtenhut.
    »Das ist nicht der richtige Zeitpunkt«, sagte sie.
    Albert war froh, dass sie nicht zu leugnen versuchte. »Ich glaube, dafür gibt es keinen richtigen Zeitpunkt.«
    »Aber einen besseren«, sprach sie durch die Zähne, in denen grüne Stückchen Bärlauch hingen, und nickte in Richtung Fred, der mit einer Nudel im Froschteich angelte.
    »Wartest du kurz hier, Fred?«, sagte Albert. »Klondi will mir etwas im Haus zeigen.«
    Freds Nudel fiel in den Teich. »Sie muss es mir auch zeigen!«
    Klondi legte ihre Hand auf Freds Rücken. »Das könnte ich. Aber dann wäre es keine Überraschung mehr.«
    »Eine Überraschung für mich?«
    »Unter anderem«, sagte Klondi.
    Fred öffnete den Rucksack und entnahm ihm das Lexikon, rollte sich auf den Bauch und begann auf Seite eins zu lesen. Albert wollte noch etwas Nettes zu ihm sagen, aber ihm kam nichts anderes in den Sinn als: »Dauert nicht lang.«

Kein Harry Potter
     
    Die Kälte in Klondis Haus, das den Sommer erfolgreich aussperrte, ließ Albert wünschen, er hätte doch von den Spaghetti gekostet. Ein bisschen innere Wärme gegen das Frösteln. Er folgte Klondi in die Wohnküche, eine Nachbildung der inWerbeprospekten von Möbelhäusern abgebildeten Stuben im Voralpenraum. Eine Sitzecke mit Holzstühlen, in deren Rückenlehnen Löcher in Herzform ausgesägt waren, weiß-blau karierte Tonbierkrüge auf dem Fensterbrett, ein Kachelofen und eine niedrige Decke, getragen von alten, versteinerten Balken, die sogar Albert, trotz seiner durchschnittlichen Größe, zwangen, seinen Kopf einzuziehen.
    »Zigarette?«
    Klondi hielt ihm eine Schachtel Gauloises hin, wie sie es vor fünf Jahren getan hatte.
    »Ich rauche nicht«, sagte er kühl.
    »Flunkerer. Willst du eine oder nicht?«
    Klondi nahm zwei Zigaretten, zündete beide an, steckte ihm eine zwischen die Lippen und zog an der anderen, als holte sie auf diese Weise Luft. »Gott, endlich! Hast
du
Fred von Lungenkrebs und Raucherbeinen erzählt?«
    Albert schüttelte wortlos den Kopf; Klondi hatte noch immer eine einschüchternde Wirkung auf ihn, in ihrer Gegenwart fühlte er sich jung und unerfahren.
    »Jedenfalls kann man in seiner Nähe nicht mehr rauchen, ohne dass er ganz meschugge wird.« Beim Sprechen bewegte sich ihre Zigarette auf und ab. »Muss immer Ausreden erfinden, warum ich nach Rauch stinke.«
    »Welche Haarfarbe hatten Sie früher?«
    »Setz dich doch erst mal.«
    »Nein, danke.« Albert drückte seine Zigarette in einem mit Kippen überfüllten Aschenbecher aus. »Sie sind meine Mutter, oder?«
    Von irgendwo aus dem Haus kam ein Knarren, das sich ungewöhnlich lang dehnte, die Parodie einer sich öffnenden Tür in einem Horrorfilm, für Albert klang es wie eine Magenverstimmung,und als die Stille zurückkehrte, sagte Klondi: »Tja.«
    Albert war nicht überrascht. Hundert Mal, tausend Mal hatte er sich diesen Augenblick vorgestellt, hatte befürchtet, ohnmächtig zu werden, und gehofft, vorwurfslos reagieren zu können, hatte sich überlegt, ob man sich umarmen würde oder lächeln oder weinen oder alles gleichzeitig, hatte damit gerechnet, jede Faser seines Körpers zu spüren und vielleicht noch mehr, Erleichterung, Zuversicht, Freude.
    Aber da war nichts.
    Albert nahm auf einem der Stühle Platz und sah Klondi an, die einfach dastand, Asche von ihrer Kippe klopfte und sie auf den Boden schneien ließ.
    »Hab erwartet, dass du irgendwann auf den Gedanken kommst.« Sie drehte einen der Stühle um, setzte sich ihm gegenüber und

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