Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)
Frau ihr einen bestürzten Blick zuwarf, ironisch hinzu: »Auf Hochglanz polieren!«, und roch, sobald sie allein war, an ihren Händen und verzog das Gesicht. Klondi schlief ein paar Stunden und wachte auf, als sie träumte, dass ihre Wehen einsetzten. Marina wurde ihr gebracht, diesmal sauber und makellos rein, gewickelt in weiße Decken, was für ein Anblick, und Klondi nahm sie voll Freude, sie wollte ihre Tochter halten, die noch nie so lange von ihr getrennt gewesen war, sie hob das winzige Päckchen und wollte es küssen und schürzte die Lippen und schob den Kopf vor und konnte nicht. Das roch einfach nicht gut. Vielleicht lag es an den Hormonen, vielleicht war das irgendeine allergische Reaktion, der Arzt konnte sich das auch nicht erklären, er tröstete, Marina rieche ganz wunderbar, und Ludwig stimmte ihm zu, und das gefiel Klondi nicht, das klang, als wäre es ihre Schuld, dabei war ihre Nase vollkommen in Ordnung, wie spätere Untersuchungen ergaben, womöglich lag es am Krankenhaus, warf der Arzt ein, worauf Klondi beschloss, umgehend heimzufahren, keine Widerrede.
Eine halbe Stunde später steuerte Ludwig ihren Wagen nach Hause, Richtung Königsdorf, Marina lag in einem Körbchen auf dem Rücksitz neben Klondi, die gar nicht traurig oder ängstlich war, vielmehr erschüttert, weil sie nicht wusste, wo die Freude blieb. Neun Monate lang hatte sie gewartet, neunMonate lang hatte sie sich zurückgehalten und war nicht mehr bis in die Morgenstunden tanzen gegangen und hatte nichts mehr getrunken und war nicht mehr in der kalten Isar geschwommen und hatte kein Gras mehr geraucht und das ganze Schwangerschaftsprogramm durchgezogen, hatte geschnauft und gegessen und Musik gehört und Tests über sich ergehen lassen, und das alles, damit es gut werden würde, um wenigstens eine Sache in ihrem Leben durchzuziehen, und sie wollte jetzt ihre Belohnung, das Glück musste her.
Der Wagen hielt vor ihrer erst angezahlten Doppelhaushälfte in Osterhofen, einem Teil Königsdorfs, der ans Moor angrenzt, und Klondi stieg aus und trug Marina im Körbchen durch den Vorgarten, achtete nicht auf das rosa Banner über der Eingangstür, auf dem
HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH!!!
stand, ließ sich von Ludwig die Tür aufschließen und brachte Marina in ihr grün gestrichenes Zimmer. Dort zog Klondi Marina aus, warf das Körbchen und alles, was mit ihr in Berührung gekommen war, auf die Terrasse und wusch Marina mit ihren eigenen Händen. Womöglich waren die im Krankenhaus nicht gründlich gewesen. Zärtlich fuhr sie mit dem Schwamm über Marinas Haut und in jede Hautfalte und redete mit ihr, erklärte der Quengelnden, so leid es ihr tue, das müsse jetzt sein, aber gleich sei ja alles vorbei. Danach trocknete sie Marina ab und wickelte sie in Tücher, gewaschen mit ihrem Waschmittel, getrocknet in ihrem Garten, aufbewahrt in ihrem Kleiderschrank, und sie brachte Marina ins Wohnzimmer, wo Ludwig wartete, der Gute, um den sie sich nicht kümmern konnte, da mochte er sie noch so bedröppelt ansehen, momentan zählten andere Dinge, und sie setzte sich in einen Sessel im Wintergarten, den sie dort hingestellt hatten, weil ihr schon während der Schwangerschaftder Gedanke gefallen hatte, in diesem Sessel mit Blick auf den Garten und ein paar Häuser und das weite Moor zu sitzen und ihre Tochter zu stillen, und Klondi öffnete ihre Bluse und half ihrem Busen aus dem BH und roch an Marina und hielt ihren Busen und roch noch einmal und stand auf und gab ihre Tochter ihrem Mann.
Danach hielt die Ehe noch sieben Monate.
1976 fand Marina in einer Klamottenkiste im Keller ein Brautkleid, das ein bisschen bitter roch. Ludwig erzählte Klondi später, dass ihre Tochter das Kleid unbedingt hatte tragen wollen, obwohl Ludwig ihr erklärt hatte, es sei zu groß und alt für sie. Marina aber trampelte mit den Füßen und sagte, die Mama würde ihr das bestimmt erlauben, und überhaupt, bei der Mama dürfe sie so lang aufbleiben und so viel Kinder-Schokolade essen, wie sie wolle. Ludwig, dem das mehr wehtat, als er zeigen konnte, erwiderte nie, die Mama müsse sich auch nur an Wochenenden um sie kümmern, die Mama habe sie verlassen, die Mama liebe sie zwar von Herzen, liebe es jedoch ganz und gar nicht, eine Mama zu sein. Ludwig sagte: »Das ist halt die Mama.« Und Marina sagte: »Die Mama ist viel lieber.« Und Ludwig sagte nichts.
Ein paar Tage später trug Marina das neue Kleid. Als sie es Klondi zeigte, erklärte sie, es sei mondweiß,
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