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Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Titel: Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Kloeble
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davon zu leben, wenn auch nur an Ausflügler aus München, Touristen, die auf dem Weg in die Alpen einen Zwischenstopp einlegten. Königsdorfer verirrten sich nie in ihr Geschäft.
    Außer einmal, sagte sie zu Albert, der ihr immer noch stumm zuhörte, außer einmal. Nicht mehr als diese zwei Wörter und Klondis bedeutungsschwangerer Blick waren nötig, damit Albert verstand, dass sie von ihm sprach, dem Besuch,den er ihr mit vierzehn bei der Fahndung nach Hänselbröseln abgestattet hatte, auf der Suche nach seiner Mutter. Seine Augen hätten gierig geleuchtet, sagte Klondi, und sie habe ihm nur helfen wollen und ihm deswegen geraten, alle Hoffnung fahren zu lassen, und es hatte ihr fast das Herz gebrochen, als er den Kopf geschüttelt hatte und sein Pumucklhaar umhergeflogen war. Er habe ihr leid getan, weil er nicht verstanden hatte, wie gut er es ohne eine Mutter hatte. Ihm nicht weiterzuhelfen sei die richtige Entscheidung gewesen, sagte sie mehr zu sich als zu ihm, sie bereue nichts, er habe doch ein anständiges Leben gehabt in Sankt Helena. Sie hätte ihm natürlich von der Pflegerin, der Frau neben Fred auf dem Foto, erzählen können, aber das hielt sie damals nicht für klug, schließlich wünschte Albert sich so sehr eine Mutter, dass keine Mutter seine Erwartungen hätte erfüllen können, und wenn sie ihm heute die Wahrheit verriet, dann nur, weil er sonst offenbar keine Ruhe finden würde.
    Darauf schwieg sie betroffen, und sofort stellte Albert die Frage, die er stellen musste.
    Klondi antwortete:

Britta Grolmann
     
    Albert und Fred gingen in der Abenddämmerung nach Hause. Albert schmierte ihnen Butterbrote und nickte zu allem, was Fred sagte, ohne ihm zuzuhören. Er konnte nur an Britta Grolmann denken. Eine Pflegerin, die Anfang der Achtziger Fredbetreut und danach am anderen Ende Deutschlands bei einem Altenheim nahe Hamburg eine Anstellung gefunden hatte. So viel wusste Albert nun. Oder besser gesagt: so wenig. Weitere Fragen hatte ihm Klondi nicht beantworten können. Arbeitete Britta Grolmann noch immer bei dem Altenheim? Lebte sie auch dort? Allein? Dachte sie manchmal an ihn? Befürchtete sie, er könnte unangemeldet vor der Tür stehen? Würde sie ihn sofort erkennen? Würde er sie sofort erkennen? Vielleicht würden sie sich die Hände reichen. Vielleicht würden sie sich umarmen. Vielleicht würde sie lächeln. Und ihn hereinbitten. Und ihn wiedersehen wollen. Vielleicht würde er alle paar Tage den Nachtzug nach Hamburg nehmen. Vielleicht würde er bei ihr einziehen. Vielleicht würde sie Fred küssen. Auf den Mund. Vielleicht würden sie zu dritt leben. Vielleicht würde sie Fred jeden Tag aus den Lexika vorlesen. Vielleicht würde sie Albert zum bestandenen Abitur gratulieren. Und stolz auf ihn sein. Und mit ihm über seine Zukunft reden. Und ihm von der Schwangerschaft erzählen. Und von Fred. Und von Anni. Vielleicht würde sie Albert sagen, sie habe auf ihn gewartet.
    Nachdem sie die Butterbrote gegessen hatten, dösten Albert und Fred auf der Chaiselongue vor dem Fernsehgerät. Albert musste immer wieder zum Telefon sehen; er wusste, nach all den Dingen, die er an diesem Tag erlebt und erfahren hatte, war es besser, erst einmal darüber zu schlafen, er sagte sich, einen solchen Anruf tätigte man nicht übereilt, sondern mit klarem Kopf. Er musste Ruhe bewahren. Auf ein paar Stunden mehr käme es doch nun auch nicht mehr an.
     
    Zehn Minuten später sperrte er sich mit dem Telefon im Bad ein und wählte die Nummer, die er von der Auskunft erhaltenhatte. Es klingelte nur einmal, bevor jemand abnahm. »Seniorendomizil
Goldene Zeit
, hallo.«
    »Guten Tag, ich würde gerne eine Ihrer Angestellten sprechen.«
    »Wenn Sie eine Beschwerde einreichen wollen, dann   –«
    »Keine Beschwerde. Bloß Fragen.«
    »Zu wem kann ich Sie durchstellen?«
    »Britta Grolmann, bitte.«
    »Am Apparat.«
    »Sie sind Britta Grolmann?«
    »Sagte ich doch.«
    »…«
    »Sind Sie noch da?«
    »Ja.«
    »Worum geht es denn?«
    »Ich bin Albert Driajes.«
    »Ja und?«
    »Aus Königsdorf.«
    »Und warum rufen Sie an, Albert Driajes aus Königsdorf?«
    »Sie erinnern sich nicht?«
    »Woran erinnere ich mich nicht? Ist das ein Scherz? Ich hab keine Zeit für so was.«
    »Bitte legen Sie nicht auf, aber ich glaube, Sie sind meine Mutter.«
    Sie legte auf.
     
    Das Telefon klingelte fünf Mal, bevor jemand abnahm.
    »Seniorendomizil
Goldene Zeit

    »Ich werde so lange anrufen, bis Sie mir zugehört

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