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Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Titel: Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Kloeble
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haben.«
    »Sie sind hier falsch.« Ihre Stimme zitterte. Damit hatte Albert nicht gerechnet. Und ebenso wenig mit der Genugtuung,die sie ihm damit schenkte. Diese Frau wusste, wer am anderen Ende der Leitung war, und obwohl er Britta Grolmann nicht sehen konnte, war er sich sicher, dass sich, im Gegensatz zu ihrer Miene auf dem Foto, das vor über neunzehn Jahren aufgenommen worden war, in diesem Moment weder Stolz noch Leichtsinn in ihrem Blick paarten.
    »Haben Sie einmal in Königsdorf gearbeitet?«
    »Von dem Ort habe ich noch nie gehört.«
    »Ich bin Freds Sohn.«
    »Welcher Fred?« Clever. Sie sprach seinen Namen mit kurzem e, als wüsste sie es nicht besser.
    »Frederick Arkadiusz Driajes.«
    »Kenn ich nicht.«
    »Sie waren seine Pflegerin, vor neunzehn Jahren. Er nennt Sie die
Rote Frau

    »Muss eine Verwechslung sein.«
    »Ich habe ein Foto, auf dem Sie seine Hand halten.«
    »Sie wissen doch gar nicht, wie ich aussehe.«
    »Würden Sie sich besser erinnern, wenn wir Sie besuchten?«
    Ein Bluff. Fred weigerte sich grundsätzlich, in einen Bus zu steigen, und Albert besaß keinen Führerschein.
    Eine kurze Pause. »Fred fährt Bus?«
    Diesmal war die Aussprache perfekt.
    Ein Seufzen. »Okay. Ruf in einer halben Stunde noch mal an. Dann können wir reden.«
     
    Das Telefon klingelte acht Mal, bevor sie abnahm.
    »Damit wir uns verstehen: Ich werde dir erzählen, was ich weiß   – bleibt mir etwas anderes übrig?   –, aber danach, das musst du mir versprechen, danach lässt du mich in Ruhe. Und ihr taucht hier nicht auf. Keine Anrufe, keine Briefe.«
    »Fred wird bald sterben.«
    »Okay«, sie atmete in den Hörer, »das ist scheiße. Was soll ich sagen? Dass es mir leidtut? Es tut mir leid.«
    »Wieso sind Sie weggegangen?«
    »Das klingt ganz schön vorwurfsvoll. Stellen wir zuerst mal eins klar: Ich bin nicht deine Mutter. Auch wenn ich denke, dass du mir das nicht einfach so glauben wirst.«
    »Allerdings.«
    »Klar, du willst mehr Details. Damit du dir einreden kannst, du wüsstest die ganze Wahrheit. Aber ich glaube nicht, dass ich dir eine Hilfe sein werde.
In der Erinnerung ist die Vergangenheit immer eine Geschichte
, hat Anni oft gesagt,
in der Erinnerung ist die Vergangenheit immer wahr
. Solche Sprüche verzapfte sie am laufenden Band. Du kannst froh sein, dass du das meiste von ihr verpasst hast. In ihr saß eine Wut, mit der wachte sie schon morgens auf, und sie warf damit um sich, bis sie abends einnickte, um neue Wut zu tanken. Fred konnte keine zwei Atemzüge machen, ohne dass sie etwas auszusetzen hatte. Selbst wenn ihre Stimme versagte und sie nur noch heiser krächzen konnte, wurde sie nicht müde. Im Gegenteil! Dann steigerte sie sich erst recht rein. Galle spucken war ihr Lebensinhalt. Das meiste davon bekam Fred ab. Er kuschte vor ihr, las ihr jeden Wunsch von den Lippen ab. Goss ihre Blumen und zitierte sie bei jeder Gelegenheit.
Mama sagt
hier und
Mama sagt
da. Als hätte sie die Bibel neu geschrieben. Mir tat er leid. Ich hatte meine Abschlussprüfung zur Krankenpflegerin gerade hinter mich gebracht und noch nicht kapiert, dass man kein Mitleid mit den Patienten haben darf. Mitleid bringt einen nur in Schwierigkeiten. Aber genau damit hat mich Anni geködert. Sie wollte mich als Hilfe, weil sie sich nicht allein um Fred
und
dich kümmern konnte.«
    »Hat sie jemals erwähnt, wer meine Mutter war?«
    »Nein.«
    »Irgendjemand muss Fragen gestellt haben.«
    »Natürlich. Aber deswegen hat sie ja mich für den Job ausgewählt. Ausschlaggebend waren nicht meine Referenzen, sondern mein rotes Haar. Beim Vorstellungsgespräch sagte sie mir, sie würde mich vom Fleck weg engagieren. Unter der Bedingung, dass ich, falls jemand Fragen stellen sollte, mich als deine Mutter ausgeben würde. In dem Moment hätte ich einfach gehen sollen, aber stattdessen erklärte ich, dass ich bei der Sache kein gutes Gefühl hätte. Ich rechnete mit ihrer Absage. Aber sie hörte mir zu, ohne mir auch nur einmal ins Wort zu fallen, und als ich fertig war, umarmte sie mich, als wären wir zu einer Einigung gekommen. Ich sei genau die Richtige. Als Nächstes scheuchte sie mich und Fred nach draußen, um ein Foto von uns zu schießen, und sie verlangte von uns, dass wir Händchen hielten, was uns beiden peinlich war, wir kannten uns ja nicht, aber ich dachte, ich mache der alten Dame eine Freude. Ihre Begeisterung ließ mich ernsthaft über den Job nachdenken.
    Von da an ließ sie nicht mehr locker.

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