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Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Titel: Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Kloeble
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bereits ergrauten Paar. Ihre Eltern sagten, sie würden ihm gerne bei seiner Schatzsuche helfen, sehr gerne. Wann könne man beginnen? Morgen? Heute?
    Jetzt?
    Arkadiusz war nie einer von den Schnellen gewesen, aber so langsam war er auch wieder nicht. Im ersten Augenpaar
sah er, wie sie ihm bis zur Goldader folgten und graben halfen, im zweiten, wie sie die glitzernden Steinchen gegen die Sonne hielten und einen Freudentanz aufführten, und im dritten, wie sie ihm eins mit der Schaufel überzogen und ihn im Moor verscharrten.
    Arkadiusz entschuldigte sich, er müsse mal auf die Latrine, und verließ Segendorf auf dem kürzesten Weg.
     
    Den Moorsee entdeckte er bei einem seiner Streifzüge durchs Unterholz und nutzte ihn von da an als Nahrungsmittelquelle und Orientierungspunkt. Darin zu schwimmen erinnerte ihn an den Moment, als er der Ostsee fast sein Leben geschenkt hatte. Seitdem hatte sich viel geändert   – er trug einen Vollbart, er war in der gesamten Republik von weiblichen Anhängern des VIER-MINUTEN-DREIUNDVIERZIG-SEKUNDEN-MANNES in die Liebe eingeweiht worden und stand   – das Gold, das Ziel, den Triumph klar vor Augen   – nun kurz davor, als gemachter Mann in die Heimat zurückzukehren.
    Ein Tag ohne Hinweis auf die Goldader oder zumindest auf Gestein, durch das sich eine Goldader hätte ziehen können, entzog ihm nicht den Mut, sondern steigerte seine Euphorie. Unermüdlich kletterte er auf Bäume, tauchte auf den Grund des Moorsees, wühlte im Erdreich, sammelte jeden verdächtigen Kieselstein ein. Immer wieder vergaß er, Fisch zu fangen, da er in seinen Träumen an reich gedeckten Tafeln speiste.
    Seine Suche wäre unglücklich ausgegangen, hätte er nicht eines Tages ein molliges Mädchen auf der zugefrorenen Schneedecke des Moorsees ausgemacht. Eine innere Stimme, die sich verdächtig nach dem Boss anhörte, meckerte, er solle sich nicht von irgendeinem Provinzmädel ablenken lassen,
das goldene Glück sei doch zum Greifen nah! Arkadiusz aber beobachtete das Mädchen. Jede ihrer Gesten war von Makellosigkeit umgeben und weckte in ihm das Verlangen, sie zu berühren. So wie sie ihre Stiefel abklopfte, über das Eis rutschte, ihr Haar zurückstrich   – so schön und einfach!
    Später untersuchte er die Stelle, an der sie gesessen hatte, und fand einen roten Punkt im Weiß. Vorsichtig hob er den Blutstropfen aus, trug den Schneeballen zu seinem Lager und betrachtete ihn nachdenklich. In der Morgendämmerung schlug er mit einem Schieferstein an einer dünnen Stelle ein Loch in die Eisdecke des Moorsees, zog sich aus und tauchte ins Wasser. Er dachte nicht darüber nach, was er tat; während er mit kräftigen Zügen durchs kalte Schwarz glitt, hoffte er auf einen Einfall.
    Alles, was er fand, war der Wunsch, das Mädchen wiederzusehen.
    Der wurde schon ein paar Tage später erfüllt. Sie hatte ihn bis in den Wald verfolgt und stand nun, keine fünf Schritt entfernt, vor ihm. Ab da ging alles viel zu schnell: Er sagte etwas, sie sagte etwas, er näherte sich ihr, roch sie, ihren Duft, der so echt war, und sie sprach, und er sprach und berührte eine ihrer Locken, und dann sagte sie mehr und mehr und mehr, unheimliche Dinge, die ihm Angst einflößten und in denen sie sich verlor, die sie um sich anhäufte, wie eine Wand, eine Mauer aus Übel, die er zerstören musste, indem er sie ohrfeigte, und als er das tat, konnte er seine Hand nicht von ihrer Wange nehmen, ihrer rosa Wange, auch nicht, als sie ihn ohrfeigte und sie ihre Hand nicht von seinem Bart nahm, ihn sogar mit dem Finger strich, dem Zeigefinger, kurz, das fühlte er, und wie er das fühlte, während er in ihre Augen sah und sie in seine und er den Meeresgrund erkannte, ihn spürte,
an seiner Wange und mit seinen Fingern, sich abstieß, als er »Anni« sagte, nach oben schoss, hoch, höher, durch die Oberfläche brach, seine Lungen mit Luft füllte und sein Herz mit Annis Stimme.

Anni und Arkadiusz
     
    1930, am Vorabend ihrer Hochzeit, stahlen sich Anni und Arkadiusz davon und eilten zu ihrem neuen Zuhause. Dort sang und tanzte meine Schwester für Arkadiusz in einem Kleid mit beigefarbenen Rüschen, das sie nur zu einem Zweck angezogen hatte: damit er es von ihrem Körper streifte. Das Kratzen des rauen Stoffes auf ihrer Haut fühlte sich an, als schäle sie sich aus überflüssigem Früher und schlüpfe in ein frisches, straffes Jetzt. Nur einmal unterbrach sie ihren wiegenden Tanz und hielt inne, weil sie dachte, sie hätte

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