Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
Glück raffte er sich bald wieder zusammen.
Unser Freund Tregomain, mit dem ich so oft von Dir, mein Herzblättchen, plaudere, verzog das Gesicht auch nicht wenig, als er hörte, daß nun erst noch ein zweites Eiland aufgesucht werden müsse.
Mein armer Juhel, sagte er zu mir, sollte dieser Paschi-Pascho-Pascha nur seine Possen mit uns treiben?… Will der uns etwa bis an’s Ende der Welt schicken?
Ja, ob’s bis an’s Ende der Welt geht, weiß ich jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, selbst noch nicht.
Wenn unser Onkel die Angaben des zweiten Documentes für sich behalten hat, so geschah das aus Mißtrauen gegen Ben Omar. Seit dieser Bursche ihm in Saint-Malo sein Geheimniß entlocken wollte, hat er ihn im Verdacht – vielleicht nicht mit Unrecht, und ich gesteh’ es Dir, liebe Enogate, sein Schreiber Nazim kommt mir auch gar nicht geheuer vor. Tregomain stößt sich ebenso wie ich an seine wilde Physiognomie und seine düstern Augen. Ich versichre Dir, daß unser Notar, der Herr Calloch in der Bey-Straße, ihn nicht in sein Bureau aufnähme.
Wüßten Ben Omar und er die Adresse jenes Zambuco, so bin ich überzeugt, daß sie versuchen würden, uns den Rang abzulaufen. Der Onkel aber hat, selbst uns beiden gegenüber, davon keine Silbe verlauten lassen. Die beiden Aegypter wissen nicht einmal, daß wir nach Tunis gehen, und so verlassen wir denn Mascat ohne jede Ahnung, wohin die Schrulle des Paschas uns noch verschlagen wird.«
»Diese verteufelten Kniffe gefallen mir auch nicht!« bemerkte Nanon.
Juhel schilderte im weiteren die Vorkommnisse bei der Rückfahrt, die Abreise vom Eiland, die Verblüffung des Dolmetschers Selik, die Fremden mit leerer Hand wiederkommen zu sehen, so daß er nicht mehr daran zweifeln konnte, daß es sich diesen nur um eine einfache Spazierfahrt gehandelt habe. weiter den beschwerlichen Zug mit der Karawane, die Ankunft in Mascat und endlich die zwei Tage, die sie auf das Packetboot von Bombay hatten warten müssen.
»Wenn ich Dir nicht noch einmal von Mascat aus schrieb, fügte Juhel hinzu, so geschah es, weil ich etwas neues zu erfahren hoffte, das ich Dir mittheilen könnte. Leider vergeblich! Ich weiß nur, daß wir nach Suez zurückfahren. um uns von da aus nach Tunis zu begeben.«
Enogate schwieg und warf einen Blick auf Nanon, die die Achseln zuckend murmelte:
»Wenn sie nicht ans Ende der Welt gehen! Bei den Ungläubigen muß man sich auf alles gefaßt machen!…«
Die vortreffliche Frau sprach von den Orientalen in der Weise, wie es während der Kreuzzüge Sitte war. Bei ihren Skrupeln als fromme Bretagnerin wären ihr auch die aus solcher Quelle fließenden Millionen von schlechtem Schrot und Korn erschienen…. So etwas hätte einer aber vor Meister Antifer hören lassen sollen!
Nach schneller Wanderung durch la Goulette mit dem Reisesacke in der Hand… (S. 213.)
Dann berichtete Juhel noch über die Fahrt nach Suez und daß Ben Omar während derselben wieder ganz jämmerlich seekrank gewesen sei.
»Desto besser!« meinte Nanon.
Ferner über Pierre-Servan-Malo, aus dem während der Reise keiner ein Wort herausgebracht habe.
»Siehst Du, liebe Enogate, ich weiß nicht, was daraus werden sollte, wenn unser Onkel sich in seinen Erwartungen betrogen sähe, oder ich weiß es vielmehr zu gut, er würde überschnappen. Wer hätte das von einem so gesetzten, in seinen Bedürfnissen so bescheidenen Mann geglaubt!… Die Aussicht, hundertfacher Millionär zu werden… nun, würde das nicht viele Köpfe wacklig machen? Ja, unsre beiden gewiß nicht. Doch das kommt davon, daß unser Leben ganz im Herzen concentriert ist.
Von Suez aus kamen wir nach Port-Saïd, wo wir die Abfahrt des Dampfers nach Tunis abwarten mußten. Dort wohnt nämlich jener Banquier Zambuco, dem unser Onkel das infernalische Document ausliefern soll. Wohin wir aber gehen sollen, wenn sich durch die Länge des einen und durch die Breite des andern die Lage des neuen Eilandes hat bestimmen lassen… das wissen die Götter! Hier liegt der Schwerpunkt und meiner Ansicht nach ein sehr gewichtiger, denn er bestimmt unsre Rückkehr nach Frankreich… meine Heimkehr zu Dir…«
Enogate ließ den Brief fallen, den ihre Mutter wieder aufhob. Sie konnte ihn nicht weiter lesen. Schon sah sie die Abwesenden tausende Meilen weit von sich entfernt, den größten Gefahren und den schrecklichsten Gegenden preisgegeben… vielleicht kamen sie niemals wieder…
»Ach, Onkel, Onkel, rief sie, was hast Du
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