Meister der Stimmen: Roman (German Edition)
auszutricksen, und mehr Energie darauf verwenden, nicht das letzte Hemd zu verlieren.«
»Gegen Nico zu verlieren macht mir nichts aus«, sagte Eli und warf ihr die letzte Münze zu. »Sie ist ein viel besserer Gewinner als du.«
Josef grunzte und nickte über seine Schulter in Richtung der Burg, wo über den dichten Bäumen gerade noch die Türme sichtbar waren. »Und wo wir gerade von Gewinnen reden, haben die Kerle uns verarscht? Wir sitzen jetzt schon fast eine Woche hier, und wenn ich noch einen Tag damit verbringen muss, mit euch Meuchelmord zu spielen, klingt der Name plötzlich sehr einladend.«
»Eigentlich wurde die Flagge vor einer Viertelstunde gehisst«, erklärte Eli beiläufig. »Ich wollte nur sehen, ob ich dir auch noch den Rest deines Goldes abnehmen kann, bevor ich es dir sage.«
Josef sprang auf – tatsächlich, an der Spitze des zweiten Turms hing eine große Flagge und bauschte sich in der leichten Brise träge über den Schieferschindeln.
Eli erwiderte Josefs mordlustigen Blick mit einem Zwinkern, dann ging er pfeifend zur Hütte.
Der König lag auf dem Boden und sah so elend aus wie immer. Eli hatte ihn beim wachsam flackernden Feuer zurückgelassen, das sich im Austausch dafür, dass Eli Nico den Großteil des Tages außerhalb der Hütte hielt, dazu bereit erklärt hatte, ihren Gefangenen nicht entkommen zu lassen. Eli ging am Kamin vorbei und stupste mit dem Fuß gegen die Schulter des Königs.
»Fast vorbei, Eure Königlichkeit.«
Der König setzte sich steif auf, und Eli gab ihm ein kleines Tintenfass und einen Kiel am Stock. Beides zog er aus den Tiefen seiner Taschen. »Alles, was du jetzt noch tun musst, ist, genau das zu schreiben, was ich dir diktiere, und dann bringen wir dich nach Hause.«
Der König wirkte für ungefähr eine halbe Sekunde rebellisch, dann nickte er mürrisch und fing an, Elis Forderungen Wort für Wort zu notieren.
Als Eli zehn Minuten später mit dem eng zusammengerollten Brief in der Hand wieder vor die Hütte trat, war Josef verschwunden. Nico allerdings saß noch an ihrem Platz und legte ihr neu gewonnenes, glänzendes Gold in wechselnden Mustern auf dem struppigen Gras aus.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte sie, ohne aufzusehen. »Er ist nur losgezogen, um den Treffpunkt auszukundschaften.«
»Warum?«, meinte Eli mit einem Lachen. »Wir haben ihnen doch noch nicht mal gesagt, wo es ist.«
Nico zuckte mit den Achseln. »Er hat gesagt, dass du das sagen würdest, und ich soll dir ausrichten, dass man nie voreilige Schlüsse ziehen soll.« Sie hielt nachdenklich inne. »Außerdem soll ich dir ausrichten, dass er, falls er irgendwelche Fallen findet, dafür sorgen wird, dass du reintrittst.«
»Wunderbar.« Eli seufzte. Warum mussten Schwertkämpfer immer so krankhaft ehrgeizig sein? »Der gute König war so freundlich, noch einen Brief für uns zu schreiben«, sagte er und drehte die Papierrolle in seinen Händen. »Ich setze den Austausch für heute Abend an, eine Stunde vor Sonnenuntergang. So sollten sie genug Zeit zur Vorbereitung haben, und uns bleibt ausreichend Spielraum, falls das Ganze aus dem Ruder läuft.«
Nico wandte ihren Münzen den Rücken zu. »Erwartest du denn, dass die Dinge aus dem Ruder laufen?«
Eli zuckte mit den Achseln. »Läuft bei uns jemals irgendwas nach Plan?«
Nico sah zu ihm auf und zuckte ebenfalls mit den Schultern.
»Auf jeden Fall«, fuhr Eli fort und hielt den Brief hoch, »werde ich jetzt einen Vogel suchen, der das zum Palast bringt. Wenn Josef vor mir zurückkommt, richte ihm bitte aus, dass ich mich zu gern überall hinstellen werde, wo er mich haben will – falls er im Fallenstellen so gut ist wie im Kartenspielen.«
Nicos Mundwinkel zuckten, und wenn Eli es nicht besser gewusst hätte, hätte er gesagt, dass sie gerade ein Lachen unterdrückt hatte. Er schob die Hände in die Taschen, drehte sich um und wanderte in den Wald, wobei er einen Falkenruf pfiff.
Eine Stunde vor der vereinbarten Zeit blies Josef zum Aufbruch.
»Das kannst du nicht ernst meinen«, sagte Eli, der es sich im Gras gemütlich gemacht hatte.
Josef schüttelte nur den Kopf und schlang den nächsten Gurt voller Wurfmesser über sein bereits eindrucksvolles persönliches Waffenarsenal. »Der Letzte im Kampf ist der Erste im Dreck«, sagte er und schob seine zwei Kurzschwerter in die Scheiden rechts und links an seiner Hüfte. Sobald sie an ihrem Platz waren, nahm er sein riesiges Eisenschwert und warf es sich über die
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