Meister der Stimmen: Roman (German Edition)
ihren Rucksack und holte ihn von Gins Rücken. »Aber selbst als ich ihn sehen konnte, hat es mich einen guten Monat gekostet, bis ich ihn lange genug erwischen konnte, um ihn davon zu überzeugen, sich mir anzuschließen.«
Gin schüttelte seinen massigen Schädel. »Ich werde nie verstehen, wie ihr Menschen es schafft, euer kurzes Leben zu meistern, wenn ihr doch geisterblind seid. Wahrscheinlich haben die Mächte euch deswegen die Fähigkeit verliehen, die Geister zu befehligen. Eine Art Überlebensstrategie.«
»Wir kommen ganz gut klar.« Miranda schob einen Ast beiseite, um einen besseren Blick auf die Burg zu bekommen. »Es war vielleicht ein wenig voreilig, ihn schon so früh zu schicken. Die Reiter können die Ratsstadt frühestens morgen Nachmittag erreichen, und das auch nur, wenn sie die Nacht durchreiten. Und dann müssen sie warten, bis das Kopfgeld bestätigt wird.«
»Und?« Gin ließ sich auf die dicke Decke aus Kiefernnadeln fallen. »Ich könnte eine Pause gut gebrauchen.«
»Faule Promenadenmischung.« Miranda grinste. Er hatte recht. Seitdem sie Corianos Tipp erhalten hatten, dass Eli in Mellinor war, waren sie ständig in Bewegung gewesen. Sie hatte kaum mehr als drei Stunden am Stück geschlafen, seit sie den Geisterhof verlassen hatten.
»In Ordnung«, sagte sie und ließ sich neben ihm auf den Boden fallen, »du hast gewonnen. Aber da du ja schlafen konntest, während ich die Burg durchsucht habe, übernimmst du die erste Wache.«
Gin schnaubte heftig genug, um damit einige Nadeln aufzuwirbeln, aber dann ging er zum Rand der Lichtung, wo er gleichzeitig die Straße beobachten und bequem liegen konnte. Als er sich eingerichtet hatte, legte Miranda sich zurück und starrte in den blauen Himmel über den Baumwipfeln. Irgendwann mussten sie ein besseres Versteck finden, aber für den Moment reichte dieses Wäldchen. Außerdem war die Sonne hier warm. Sie schloss die Augen. Wenn Eli seinen Zug machte, würden sie bereit sein. Dieser Gedanke zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht. Dann schlief sie ein.
Kapitel 10
J osef starrte seinen Gegner finster an und wartete auf eine Blöße. Das kleinste Zucken konnte die Schwäche zeigen, die seine Niederlage in einen Sieg verwandelte. Ein paar Schritte entfernt lungerte Eli im Sonnenlicht, lehnte sich gegen die Äste, die ihre windschiefe Steinhütte versteckten, und grinste wie ein Idiot.
Die Augen des Diebes schossen nach unten, und Josef sah die nötige Blöße. »Halte und erhöhe«, knurrte er und warf zwei Goldstandards vor sich ins Gras.
Elis Grinsen verrutschte ein kleines bisschen, und er nahm zwei rechteckige Münzen von seinem eigenen Stapel. »Du zeigst einen Ritter«, sagte er und deutete auf die aufgedeckte Karte neben Josefs Fuß. »Das sind mindestens fünf Punkte. Vielleicht bist du ja verwirrt, aber bei Meuchelmord gewinnt die niedrigste Hand.« Er hielt inne und ließ die Münzen zwischen seinen Fingern kreisen. Scheinbar kümmerte es ihn nicht, wie gefährlich es sein konnte, einen Mann zu verspotten, dessen tägliche Kleidung fast fünfundzwanzig Kilo scharfer Waffen beinhaltete. »Du kannst deine Wette zurückziehen, wenn du willst«, sagte er voll demonstrativer Großzügigkeit. »Mir macht es nichts aus.«
»Nein.« Josef kauerte hinter seinen Karten. »Damit kriegst du mich nicht noch mal.«
»Mach, was du willst.« Eli warf seine Münzen in den Pott. »Und jetzt lass uns schauen, wer recht hatte.«
Josef warf seine Karten auf den Boden und erweiterte damit seinen edlen Ritter im Gras um einen bärtigen Mann mit einem Stab und einen alten Kerl mit Krone. »Junggesellenparty: Magier, König, Ritter. Zehn Punkte«, sagte er grinsend.
Eli feixte und fächerte gewandt seine Karten auf. »Magier, König und meine wunderschöne Dame.« Er hob die Königinnenkarte auf, die er nach der ersten Wettrunde aufgedeckt ins Gras gelegt hatte, und sein Grinsen wurde unverschämt. »Neun Punkte.«
Josef starrte ihn wütend an, während Eli sich die Hände rieb und sie dann ausstreckte, um seinen Gewinn einzusacken.
»Großreinemachen«, sagte Nico leise, und die zwei Männer erstarrten. »Jäger, Weber, Schäferin.« Sie nannte den Namen jeder Karte, während sie sie ins Gras legte. »Drei Punkte.«
Eli seufzte und schob den Goldstapel zu Nico. Jetzt war es an Josef, breit zu grinsen. »Zu dumm, Eli«, sagte er und lehnte sich gegen einen der bemoosten Bäume. »Das nächste Mal solltest du dir weniger Gedanken darum machen, mich
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