Meister der Stimmen: Roman (German Edition)
Gefahr geschickt, die keiner von uns vorhersehen konnte. Du hast die Aufgabe, die ich dir übertragen habe, gut erledigt. Jetzt ist es Zeit, nach Hause zu kommen.«
Durn seufzte an ihrer Haut, dann fing er mit dem Geräusch einer Gerölllawine an, sich aufzulösen. Zuerst zerbrach er in größere Stücke, dann in Kies, dann wurde er zu in der Sonne glänzendem Sand, der in Mirandas geöffnete Hände driftete. Nach und nach überführte sie ihn in den Ring und nutzte ihren eigenen Geist, um ihn zu leiten. Als das letzte Staubkorn verschwunden war, blitzte der Smaragd müde auf, bevor er ganz verblasste, weil Miranda ihn in tiefen Schlaf drängte.
»Er wird sich erholen«, sagte sie mit einem Seufzen und drehte den Ring so, dass der dunkle Stein nach unten zeigte. »Aber es wird Wochen dauern, bevor er etwas anderes tun kann als schlafen.«
»Es hätte schlimmer kommen können«, meinte Gin tröstend, aber Miranda stoppte ihn mit erhobener Hand.
»Ich will gar nicht darüber nachdenken. Wir sollten uns lieber auf unsere Aufgabe konzentrieren. Wohin sind sie gegangen?«
»Hier entlang.« Gin stand auf, drehte sich mit gerecktem Schwanz um und sprang über die Reste von Elis Wurzelfalle.
Miranda humpelte hinter ihm her und biss die Zähne zusammen, um die Schmerzen in ihren Beinen und ihrer Seite zu unterdrücken. »Wie weit?«
»Ungefähr eineinhalb Kilometer«, sagte Gin und sah über die Schulter zu ihr zurück.
Miranda hob eine zerbrochene Wurzel auf, dann stützte sie sich darauf und humpelte schneller. »Ich bin überrascht, dass du sie nicht verfolgt hast, wenn sie so nahe sind. Ich hätte dich einholen können.«
Er schenkte ihr einen langen Blick, während sie jämmerlich weiterhumpelte. Dann sprang er mit einem Seufzen wieder über die Wurzeln und ließ sich neben ihr auf den Boden fallen. »Steig endlich auf. Es tut schon weh, dir nur zuzusehen.«
Miranda grinste und schleuderte ihre improvisierte Krücke fort, bevor sie, so schnell es ihre schmerzenden Muskeln erlaubten, auf seinen Rücken kletterte.
»Außerdem«, Gin legte den Kopf auf die Pfoten, die plötzlich seine gesamte Aufmerksamkeit zu vereinnahmen schienen, »wollte ich lieber warten.«
Miranda versteckte ihr Lächeln in seinem Fell, als sie sich auf ihren üblichen Platz hinter seinen Ohren schob. Als sie sicher saß, stupste sie ihn leicht mit dem Stiefel an. Gin stand auf, und zusammen schlichen sie durch die Bäume Richtung Westen.
In einer anderen Welt öffnete sich in einem weißen Raum eine Tür. Oder eigentlich war das falsch, denn diese Aussage unterstellte, dass es eine Tür gab. Hier existierte jedoch nichts, wenn sie es nicht wollte, und die Tür hatte sie nicht erwartet. Trotzdem öffnete sie sich, und ein großer, wütender Mann trat in das perfekte weiße Nichts, in dem sie lag und ihre Kugel betrachtete.
Ihre weißen Augen musterten ihn, und auf ihrem makellosen weißen Gesicht erschien ein spöttisches Lächeln.
Warum kommst du, wenn du nicht gerufen wurdest?
Der wütende Mann antwortete nicht. Er durchquerte mit schnellen Schritten die Leere und blieb mit vor der Brust verschränkten Armen neben ihr stehen.
»Er tut es schon wieder.« Seine Stimme klang wie grollender Donner. »Ihr müsst der Sache Einhalt gebieten.«
Was kümmert es dich?
Die Miene des Mannes verfinsterte sich noch stärker, und seine langen Finger umklammerten das blau umwickelte Schwert an seiner Hüfte. Sie lächelte geziert. In solchen Momenten, wenn sein Zorn seine Vernunft überkam, wusste sie stets, warum sie ihn immer noch schätzte, trotz seiner Anmaßung.
»Bei allem Respekt«, knurrte er, »Ihr habt mich geschaffen, um mich zu kümmern. Ich habe den Gefährten Eures Lieblings verschont, als er die Dämonenbrut zu sich genommen hat. Ich habe sogar weggesehen, als er ihr diesen verfluchten Mantel gegeben hat, aber jetzt geht er zu weit. Die gesamte Liga hat ihren Angriff auf den Steingeist gespürt, und trotzdem gebt Ihr nicht den Befehl zum Angriff.« Seine Stimme wurde bei jedem Wort lauter, und kleine Blitze zuckten über die Hand, die das Heft des Schwertes umklammerte. »Wie soll ich meine Bestimmung erfüllen, wenn Ihr mir Eurem Schoßdieb zuliebe bei jedem Schritt in die Quere kommt?«
Er hatte kaum zu Ende gesprochen, als die weiße Leere auf ihn eindrängte und ihn packte wie ein Schraubstock aus Luft und Blei. Das gezierte Lächeln verblasste nicht, aber ihre Wut ließ die Leere erbeben, bis er spürte, wie das Licht seine
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