Meister der Stimmen: Roman (German Edition)
barsch. »Was ist mit dem Pfeiler?«
Miranda schüttelte den Kopf. »Als Meister Banage mich hierhergeschickt hat, wussten wir nicht, dass der König das Ziel ist. Er dachte, Eli wäre hinter einem obskuren magischen Artefakt her, das sich seit Mellinors Gründung im Besitz des Königreiches befindet. Gregorns Pfeiler.«
»Obskur?« Eli wirkte beleidigt. »Warum sollte ich etwas stehlen, von dem noch niemand je gehört hat?«
»Gregorn«, sagte Josef und runzelte die Stirn. »Diesen Namen habe ich schon einmal gehört.«
»Das überrascht mich nicht.« Miranda sah ihn an. »Gregorn war Mellinors Gründervater und, im Gegensatz zur heutigen Version, ein ziemlich berühmter und außerdem ziemlich fieser Versklaver.«
»Wieso interessiert sich Banage dann für den Pfeiler?«, fragte Josef. »Er ist kein Versklaver. Warum sollte er etwas wollen, das einem von denen gehört hat?«
»Um es nicht in die Hände anderer Magier fallen zu lassen, die in Gregorns Fußstapfen treten wollen«, erklärte Miranda.
»Und was tut er?«, fragte Josef. »Verstärkt er irgendwie die magischen Kräfte, oder ruft er Geister?«
Miranda trat nervös von einem Fuß auf den anderen.
»Ich bin mir nicht ganz sicher«, gab sie schließlich zu. »Meister Banage hat es mir nie wirklich gesagt. Ich weiß nur, dass es ziemlich übel ist, wenn ein Magier ihn in die Finger bekommt.« Meister Banages genaue Worte hatten gelautet: ›seelengefährdende Gefahr für die menschliche Welt genauso wie für die Geisterwelt‹, aber nach Elis spöttischen Kommentaren hatte sie nicht das Gefühl, dass er einen so bedeutungsschweren Satz zu schätzen wüsste.
Eli starrte sie finster an. »Ich dachte, es gäbe den Geisterhof genau deswegen, um so etwas unter Kontrolle zu halten.«
»Das tun wir ja auch«, blaffte Miranda. »Warum sonst, glaubst du, hat Meister Banage mich hierhergeschickt, um dafür zu sorgen, dass der Pfeiler nicht gestohlen wird? Ich bin eine voll initiierte Spiritistin! Ich bin kein Botenmädchen!«
»Und warum durfte er die ganze Zeit in Mellinor bleiben, wenn er so gefährlich ist?« Josef kratzte sich am Kinn. »Scheint mir ziemlich unverantwortlich.«
»Wir sind eine neutrale Macht!« Miranda warf die Hände in die Luft. »Wir können nicht einfach auftauchen und die Auslieferung eines Staatsschatzes verlangen! Außerdem, nur für den Fall, dass du es vergessen hast: In Mellinor hasst man Magier. Gregorns Pfeiler ist für normale Menschen vollkommen harmlos; also schien es ein akzeptables Risiko zu sein, ihn in einem Land zu belassen, das Magier deportiert, sobald sie auftauchen.«
»Lass mich das klarstellen.« Josef beugte sich vor, um ihr direkt ins Gesicht zu sehen. »Du denkst, dass Renaud – ein Versklaver – versucht, an diesen Pfeiler zu kommen, der nach einem anderen Versklaver benannt ist und laut deiner Aussage ›ziemlich übel‹ sein kann, wenn ihn ein Magier in die Finger bekommt.« Er zog die Augenbrauen hoch. »Findest du nicht, dass du uns davon schon früher hättest erzählen müssen?«
»Es tut mir leid!«, stotterte Miranda. »Ich habe wirklich nicht geglaubt, dass es eine Rolle spielen würde! Renaud ist direkt über ihm aufgewachsen, also dachte ich, wenn er überhaupt von dem Pfeiler wüsste, hätte er ihn schon vor Jahren in seinen Besitz gebracht. Bevor er verbannt wurde.«
»Als Prinz hätte er keinen Zugang dazu gehabt«, erklärte Eli. »Die Schatzkammer kann nur auf direkten Befehl des Königs geöffnet werden.«
Alle drehten sich um und sahen ihn an. Eli trat einen Schritt zurück.
»Was? Ich habe ein wenig Recherche betrieben. Das war eigentlich mein erster Plan – Henrith dazu zu bringen, die Schatzkammer für mich zu öffnen –, aber dann habe ich mir gedacht, dass eine Entführung meinem Ruhm mehr dienen würde.«
Miranda schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. »Nun«, sagte sie, »das erklärt alles.«
»Spielt es wirklich eine Rolle?«, fragte Eli. »Ich meine, unser Ziel hat sich nicht geändert. Wir holen Renaud, wir holen das Geld, wir hauen ab. Der Plan funktioniert doch prima. Wir müssen einfach nur etwas vorsichtiger sein. Außerdem«, er rieb sich die Hände, »klingt es nach wesentlich mehr Profit, sich in eine Schatzkammer einzuschleichen, als sich in einen Thronsaal einzuschleichen.«
Miranda grunzte, aber ihr fehlten die Worte, um darauf hinzuweisen, was mit diesem Satz alles nicht stimmte. Eli grinste und öffnete die Kammertür, so dass sie alle wieder auf
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