Meister der Stimmen: Roman (German Edition)
soweit das überhaupt möglich war, noch breiter. »Für wen hältst du mich?«, sagte er und hielt die Hände griffbereit über die Klinke. Miranda schnaubte, sagte aber nichts, sondern trat zurück, um ihn bei der Arbeit zu beobachten. Doch sobald Eli seine Hände auf die Klinke gesenkt hatte, wurde sein Gesichtsausdruck fragend. Dann drückte er gegen die Tür, und mit einem leisen Schleifen schwang sie nach innen.
Miranda blinzelte überrascht. »Anscheinend bist du dein Geld wert.«
»Hohes Lob«, sagte Eli und trat zurück. »Ich wünschte, ich hätte es verdient, aber ich war das nicht. Die Tür war bereits offen.«
Josef trat zu ihm und starrte das Metalltor an, das langsam nach innen schwang. »Dir ist klar«, sagte er leise, »dass das wahrscheinlich eine Falle ist.«
»Wahrscheinlich laufen wir in eine Falle, seitdem wir hier angekommen sind.« Eli warf Josef einen schiefen Blick zu. »Das hast du selbst gesagt.«
Josef zuckte mit den Achseln und griff wieder nach seinem Balken. »Zu spät, sich jetzt noch Sorgen darum zu machen.«
Die dicke Metalltür war nun voll geöffnet, und muffiger, kalter Wind fuhr ihnen durchs Haar. Das Licht von den Fackeln in der Halle reichte gerade mal ein paar Schritte über die Türschwelle. Dahinter erstreckte sich Dunkelheit, tief und scheinbar endlos. Miranda machte einen vorsichtigen Schritt vorwärts und streckte die Hände aus, aber sie spürte keine Geister, weder verrückt noch gesund. Das Stöhnen der Soldaten hinter ihnen verklang, kaum dass sie die Schwelle übertreten hatte, und das Scharren ihrer Stiefel war in der absoluten Stille unnatürlich laut.
Plötzlich zitterte Josef, als hätte man ihn in einen eiskalten Teich geworfen. Er trat vor und starrte in die strukturlose Dunkelheit. »Ich weiß, dass du da bist«, sagte er. »Komm raus.«
Seine Stimme hallte durch die Schwärze, und die Worte wurden wieder und wieder von den Wänden zurückgeworfen, um dann zu verklingen. Für einen Moment tat sich nichts. Dann flackerte ein paar Meter vor ihnen ein Streichholz auf und erleuchtete ein Augenpaar – eines blau, eines getrübt und silbern.
»Hallo, Josef«, sagte Coriano. »Was hat dich so lange aufgehalten?«
Kapitel 21
H abt ihr jemand anders erwartet?« Coriano lächelte und hielt das Streichholz an den Docht einer gläsernen Laterne. Das Lampenöl entzündete sich und erhellte die leeren Wände, die sich sanft wölbten, bis sie über ihren Köpfen in der Dunkelheit verschwanden, weil der Lichtschein nicht so weit reichte. Unter ihren Füßen schickte das flackernde Licht Schatten über den Steinboden, auf dem sich die verblassten Umrisse von Regalen und Kisten abzeichneten. Die Möbel, die diese Spuren hinterlassen hatten, waren allerdings verschwunden und hatten nur Staub, Spinnweben und vereinzelte Holzsplitter zurückgelassen. Als die Flamme der Laterne sich stabilisiert hatte, war klar, dass die schwer bewachte Schatzkammer vollkommen leer war.
Miranda trat einen Schritt vor. »Wo ist Renaud?«
»Vergiss ihn«, sagte Eli. »Wo ist der Schatz?«
»In der Tat, wo ist der Schatz?«, meinte Coriano. »Wusstest du, dass du unter uns Kopfgeldjägern für deine Unvorhersehbarkeit bekannt bist, Eli? Und sie begreifen es nicht, wenn ich ihnen erkläre, dass du in einem Punkt so zuverlässig bist wie die Sonne. Miranda weiß das am besten.« Er schenkte ihr ein kaltes Lächeln. »Ich habe ihr denselben Rat gegeben wie allen anderen: Wenn du Eli Monpress fangen willst, stell dich einfach zwischen ihn und das, was er haben will. Denn seine einzige Konstante besteht darin, dass er niemals aufgibt, wenn er etwas haben will, nicht einmal, um seine Haut zu retten.«
»Warum dann all diese Soldaten draußen?«, fragte Miranda.
»Eine notwendige Täuschung.« Coriano legte den Kopf schräg. »Ohne volle Wachmannschaft hättet ihr vielleicht erraten, dass etwas nicht stimmt. Ich habe sogar zugelassen, dass diese Bibliothekarin durch die Burg wandert, einfach in der Hoffnung, dass sie euch zu der kleinen Treppe führt. Alles nur, damit es wirklich glaubhaft wirkt.«
Mirandas Gesicht lief rot an, aber noch bevor sie den Mund öffnen konnte, packte Eli ihre Schulter.
»Gut gemacht«, sagte Eli, zog Miranda zurück und nahm ihren Platz neben Josef ein. »Du hast mich gefunden. Allerdings hast du mich noch nicht gefangen.«
»Aber ich bin auch gar nicht hinter dir her«, erklärte Coriano. »Sondern hinter dem Mann, der dorthin geht, wo du ihn hinführst.«
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