Meister der Stimmen: Roman (German Edition)
Schwerter finden ihr eigenes Licht, wenn sie wachsen. Ich hatte erwartet, dass das Herz strahlt wie die Sonne, aber nicht einmal das schaffst du.«
Josef antwortete nicht. Er stand vollkommen still und atmete langsam. So nahe, wie er dem Tod war, konnte er Corianos Schwert spüren – eine scharfe, kalte, weibliche und blutrünstige Präsenz. Im Gegensatz dazu war das Schwert in seiner Hand schwer und stumpf, aber mit diesem Gewicht kam das tiefe Wissen, dass es schneiden würde, wenn er es schwang.
Coriano hob sein Schwert und erklärte abfällig: »Wenn du mich in dieser Runde auch enttäuschst, Schwertkämpfer, nehme ich mir deinen Kopf.«
Er zielte hoch, um Josefs verletzte rechte Schulter zu treffen. Doch kurz bevor der Schlag ihn traf, trat Josef in Aktion. Seine Bewegungen waren langsam und entschlossen, vollkommen anders als seine verzweifelten Ausweichmanöver im letzten Kampf. Das Herz des Krieges bewegte sich mit ihm und folgte dem Schwung seines blutbefleckten Arms. Zusammen schlugen sie zu und zwangen Coriano, mitten im Angriff die Richtung zu wechseln und Dunea mit beiden Händen zu packen, um den Schlag zu parieren.
Es war, als würde er von einem Berg getroffen.
Coriano flog nach hinten und prallte gegen die Wand. Seine Rippen brachen wie dünne Zweige, und nur weil er instinktiv den Kopf einzog, wurde sein Schädel nicht an der Steinwand zerschmettert. Doch noch bevor er die Reaktionen seines Körpers verarbeiten konnte, durchbrach Duneas Stimme schon den Schmerz, und er hätte sich fast übergeben. Der Fluss aus weißem Schnee schrie, und ihr Licht flackerte in wirren Mustern über die Klinge. Bis auf eine Stelle – wo das Herz des Krieges sie getroffen hatte, hatte die weiße Klinge nachgegeben. Coriano traute seinen Augen nicht. Nichts, wogegen er bis jetzt gekämpft hatte, war dazu in der Lage gewesen, sein erwecktes Schwert auch nur zu verkratzen. Er öffnete ohne zu zögern seinen Geist und zwang seine Ruhe über ihre Panik, zwang sie dazu, sich wieder zu glätten. Langsam bewegte sich die Klinge und nahm ihre alte Form an. Sie saugte seine Ruhe in sich auf, und er fühlte, wie ihr Geist sich in Schärfe verwandelte. Dann sah er hoch und stellte fest, dass Josef wartete. Er stand immer noch in der Mitte des Raumes, das Herz des Krieges locker in der Hand.
Coriano stieß sich von der Wand ab und zwang sich dazu, seine Schmerzen zu ignorieren. Das war es endlich, ihr gemeinsames, ehrgeiziges Ziel – ein echtes Duell erweckter Schwerter. Seine Handflächen waren feucht, als er in Ausgangsstellung ging. Dafür hatten sie trainiert. Für diesen einen Moment hatten sie Josef durch die halbe bekannte Welt gejagt. Er hielt Dunea vor sich, und ihr Licht war so hell, dass es ihn fast blendete. Er hatte sie noch nie so lebendig, so angriffsbereit gesehen. Nun führte er seinen Geist so nah an ihren heran, wie es ihm möglich war, und verband seinen Killerinstinkt mit ihrem, wie ein Musiker, der ein Instrument stimmt. Als es keinen Missklang mehr zwischen ihnen gab, richtete er seine Klinge auf Josefs Brust und griff an.
Er bewegte sich in diesem Moment schneller als jemals zuvor. Sein weit geöffneter Geist dröhnte in seinen Ohren, und sein Körper fühlte sich an, als wäre er so schnell und schwerelos wie Sonnenlicht. Nur Dunea hatte Gewicht, eine schwere, meuchlerische Schnelligkeit, die durch Knochen, Stein und Stahl schneiden konnte. Zusammen waren sie über Josef, bevor er ihre Bewegung überhaupt gesehen haben konnte – Schwert und Schwertkämpfer bewegten sich als Einheit, um das Herz des größeren Mannes zu treffen.
Josef bewegte sich wie unter Wasser. Langsam und wohlüberlegt hob er seine Klinge. Es war, als lebte er in einer anderen Welt, in der Zeit etwas Physisches war, mit einem klebrigen Sumpf zwischen den Sekunden, durch den er schwamm wie ein Karpfen. Schneller als das Licht und so unvermeidlich wie die Schwerkraft. Coriano konnte nur zusehen, wie Josef sich umdrehte, seinen Stand verlagerte und das Herz des Krieges hob, um Duneas Schlag abzufangen. Er sah, wie es geschah, und doch konnte Coriano seinen Schlag nicht mehr korrigieren. Er konnte sich einfach nicht schnell genug bewegen.
Grelles Licht blitzte auf, als Dunea auf das Herz traf, und Coriano fühlte, dass er fiel. Er knallte hart auf den Boden und rutschte weiter, bis er ein paar Schritte hinter Josef schlitternd liegen blieb. Er rührte sich nicht, weil er nach dem Aufprall kaum atmen konnte, und versuchte
Weitere Kostenlose Bücher