Meister der Stimmen: Roman (German Edition)
vergeblich zu erkennen, wo er sich befand. Der Raum war plötzlich vollkommen dunkel. Für eine atemlose Sekunde blieb er verwirrt liegen, dann fühlte er die warme Nässe auf seinem Bauch und verstand.
Seine Hand war vor ihm ausgestreckt und umklammerte immer noch Duneas Heft. Direkt über der Parierstange jedoch endete die weiße Klinge in einer gezackten, zerfetzten Kante. Der Rest des Schwertes lag wie ein verbogener, matter Haufen vor ihm, und obwohl er die Reste seines Geistes danach ausstreckte, antwortete das Schwert nicht. Der Fluss aus weißem Schnee war zerstört, und sein Licht war erloschen.
Corianos gequälter Schrei hallte durch den dunklen, leeren Raum, und Josef zwang sich dazu, sich umzudrehen. Das Herz des Krieges regte sich noch in ihm, und er hatte gespürt, wie es das weiße Schwert durchschlug und sich in Corianos Brust vergrub, als wäre sein eigener Arm die Schneide gewesen. Coriano lag in einer schnell wachsenden Blutlache. Seine Schultern zitterten, und seine Hand umklammerte noch den Knauf seines Schwertes, den einzigen Teil der Klinge, der immer noch leuchtend weiß war. Als wüsste er, dass er beobachtet wurde, zwang Coriano seinen Körper dazu, sich herumzurollen. Sein Gesicht war so weiß und glatt, wie es sein Schwert gewesen war, nur durchbrochen von seiner dunkelroten Narbe und dem dünnen Blutfilm auf seinen Lippen.
Josef konnte fühlen, wie sich das Herz des Krieges zurückzog, aber bevor er zusammenbrach, zwang er sich dazu, einen Schritt nach vorne zu machen. Er bohrte die dunkle Klinge in den Steinboden und stützte sich darauf. »Dein Wunsch wurde erfüllt«, sagte er keuchend. »War es das wert?«
Corianos Finger packten das Heft so fest, dass dunkle Fingerabdrücke auf der roten Seide erschienen. »Nein«, hauchte er schließlich. »Nichts ist es wert, sie zu verlieren.« Er zog den Arm an und drückte das zerstörte Schwert an seine Brust. »Aber es war das Einzige, was uns glücklich machen konnte.« Er lächelte. »Unsere Seelen werden deinen Namen nicht vergessen, Josef Liechten, und wenn wir wiedergeboren werden, werden wir dich jagen. Enttäusch uns nicht …«
Die letzten Worte waren nur noch ein Zischen. Es war Corianos letzter Atemzug, dann lag er still, Duneas Heft zärtlich an die Brust gedrückt. Josef beobachtete ihn so lange es ging, während die Macht seines Schwertes seinen Körper verließ. Je weiter sich das Herz des Krieges zurückzog, desto stärker drangen die Schmerzen auf ihn ein, und sein schwerer, müder Körper brach unter dem Druck zusammen. Er stützte sich mit seinem gesamten Gewicht auf die Klinge und rang um Luft.
Hoch über ihm, über den tonnenschweren Steinen des Fundaments, fing die Burg an zu zittern.
Kapitel 23
I hr habt meine Türen zerstört.«
Renauds Stimme durchschnitt die Dunkelheit. Miranda zuckte zusammen und blinzelte gegen das Licht des Lavageistes an, aber trotzdem sah sie nichts. Erst als Renaud den Kopf drehte, konnte sie ihn erkennen. Er stand neben dem Pfeiler auf der Empore.
»Sie waren schon ruiniert, bevor ich dazu kam.« Eli trat vor. Karon starrte böse durch die verbogenen Überreste der Türen, so dass ein hitziger Lichtschein auf alles fiel. Miranda und Nico gingen unter ihm hindurch, um sich neben Eli zu stellen.
»Tritt von Gregorns Pfeiler zurück, Renaud«, befahl Miranda.
»Faszinierend«, sagte Renaud nur. »Ich habe die Lüge selbst verbreitet, aber ich hätte nie gedacht, dass sie sich bewahrheiten würde. Die Spiritistin und der Magierdieb arbeiten zusammen.«
»Deine Verbrechen stellen im Moment alles in den Schatten.« Miranda kniff die Augen zusammen. »Gib auf, Renaud. Diesmal gibt es keinen Sandsturm, der dich retten kann.«
»Ich brauche solche kindischen Tricks auch nicht.« Renaud wandte sich wieder dem Pfeiler zu. »Nicht mehr.«
»Stopp!«, schrie Miranda. »Hör auf die Vernunft! Gregorn war der gefürchtetste Versklaver, der jemals gelebt hat. Er war nicht die Art von Mann, der seinen Nachkommen ein Vermächtnis hinterlässt. Was auch immer er in diesem Pfeiler zurückgelassen hat, wird nur das Gleichgewicht zwischen der Welt der Menschen und der Welt der Geister zerstören, von dem unser aller Leben abhängt – auch deines, Renaud. Ich schwöre dir, wenn du ihn einsetzt, wird die Macht, die du bekommst, es am Ende nicht wert sein. Tritt zurück. Jetzt!«
Renaud lachte über ihre Leidenschaft. »Dafür ist es schon viel zu spät, Miranda.«
Er drehte sich in Karons Licht, und
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